Jetzt ist die Chance, ehrgeizig anzupacken! 11. November 202215. Dezember 2022 Rückblick auf den digitalen Feierabend vom 16. November 2022 „Hol Dir die Sonne ins Portemonnaie!“ „Weil dein und mein Leben Tag an ihr hängt, ist die Sonne.“ So lautet ein Vers des Gedichts: „An die Sonne“ von Ingeborg Bachmann, dessen Beginn unser Landessprecher Bernhard Stengele zur Eröffnung des Digitalen Feierabends rezitierte. Schon immer wüssten wir dass es ohne die Sonne kein Leben gäbe. Dass die Energie der Sonne in Zukunft auch unseren Energiehunger stillen müsste, habe Ingeborg Bachmann hingegen vielleicht noch nicht gewusst, vermutete er. Passend dazu war das Thema dieses Digitalen Feierabends der aktuelle Stand der Solarenergie in Thüringen. Zusammen mit Ramona Rothe, Leiterin der Servicestelle Windenergie ThEGA, Daniel Krieg, Projektleiter Solarenergie ThEGA, Stephan Ostermann, Trainer für Erneuerbare Energien Technik und unserem Landessprecher Bernhard Stengele wurde über aktuelle Herausforderungen und Veränderungen in Thüringen diskutiert. Zusätzlich schaltete sich Heiko Knopf, unser stellvertretender Bundesvorsitzender, zu, um über seine Eindrücke auf der COP27 zu berichten. Im Moment, stellte Ramona Rothe fest, passiere viel in Thüringen. Als Beispiel nannte sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des „Wind-im-Wald“- Gesetz. Dieses stellte fest, dass Thüringen grundsätzlich nicht das Recht habe, Windenergie im Wald zu verbieten und trete mit sofortiger Wirkung ein, da das „Wind-im-Wald-Gesetz“ gegen das Grundgesetz verstoße. Besonders für Ostthüringen sei das von Vorteil, denn unter deren Windvorranggebieten seien viele Waldflächen jetzt bebaubar. Und auch zum eigentlichen Thema des Abends, der Bereich der Solarenergie, sei in diesem Jahr vieles passiert, etwa die Beschlüsse zum Osterpaket, die Daniel Krieg einmal genauer beleuchtete. Mit dem Osterpaket sind neue Ausbauziele aufgestellt worden: 215 GW bis 2030 deutschlandweit 400 GW bis 2040 deutschlandweit Im Vergleich dazu waren im letzten Jahr 60 GW installiert. Das, was also schon vorhanden sei, müsste verdreifacht werden. Pro Jahr müssten also ca. 19,5 GW installiert werden. In Thüringen, mit 4,5% der Bundesfläche, müssten anteilig 9,6 GW installiert werden. Allerdings sei Thüringen erst bei 2,1 GW und in diesem Jahr habe man auch nur 111 MW erreicht – wobei das jährliche Ziel 877 MW betragen müsste. 678 Anlagen seien im Moment geplant – verzögert durch Probleme beim Netzausbau, der Modulverfügbarkeit oder langsamen Planungsprozessen im Freiflächenbereich. Ohne eigene Kohle-oder Kernkraftwerke sei Thüringen immer schon von Importen abhängig gewesen, der Ausbau der Erneuerbaren spiele jetzt eine enorme Rolle auf dem Weg zur Unabhängigkeit. 2021 waren 50 % des Energiebedarfs durch Erneuerbare Energien gedeckt, 2022 waren es schon 53%. In den letzten Jahren habe es zwar auch einen starken Zubau von Dachanlagen gegeben, trotzdem bestünden dort noch riesige Potenziale. Aktuell würden nur 7% der Dachpotenziale genutzt. Dabei gebe es im kommunalen Umfeld viele Möglichkeiten etwas zu verändern. Zum Beispiel könnten Stadträte Bürgermeister*innen beauftragen, kommunale Gebäude mit PV-Anlagen zu bestücken und den Ertrag zur Eigenstromversorgung nutzen. Ebenso könnten Gewerbe-, Industrie-, und sonstige Brachflächen durch die Kommunen ausgewiesen werden. Das sei auch im Freiflächenbereich möglich. Momentan seien in den Regionalplänen nur wenige Eignungsgebiete ausgewiesen, zusätzlich seien sie teilweise beklagt. So müsse man bei der Planung im Freiflächenbereich oft erst einmal ein Zielabweichungsverfahren stellen, was alles ungemein verzögere. Dabei könnten Kommunen mit der Ausweisung eigener Flächen gegensteuern. Auch kommunale Unternehmen könne man in die Pflicht nehmen. Auf diese könne man einwirken und sie motivieren, in der Bestückung mit PV-Anlagen voranzugehen. Möglich sei es außerdem eigene Förderprogramme zu starten, wie Jena das für Anlagen auf Balkonen getan habe. Mit dem neuen Osterpaket wurde außerdem die Anlagenführung flexibler gestaltet, so dass jetzt mehrere separate Anlagen auf einem Dach betrieben werden könnten, was in der Vergangenheit nicht möglich gewesen sei. Vorher habe es Sinn gemacht, die Größe der Anlage um den eigenen Jahresstromverbrauch zu konzipieren und den Rest des Dachs als Vollspeiseanlage zu nutzen. Mit der neuen Regelung könne man bei verschiedenen Anlagen zwischen den Modellen jährlich umstellen, je nach Stromverbrauch. Außerdem wurde die die Einspeisevergütung angehoben, deren Sätze jetzt bis zum Februar 2024 gelten. Für Kommunen wurde auch nachgeschärft, so dass jetzt, egal wo der Betreiber seinen Unternehmenssitz habe, 90% der Gewerbesteuer in der Kommune bleiben müssten. Gleichzeitig sei von den Betreibern gefordert, Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen, was ebenfalls der Kommune zugute käme – das könne auch alles mögliche, von Streuobstwiese bis Aufforstung sein. Oder man biete Bürger*innen in der Kommune an, sich finanziell direkt zu beteiligen und eine jährliche Rendite zu erhalten. Trotzdem gäbe es noch viele Möglichkeiten um den Ausbau von PV-Anlagen schneller voranzubringen. Etwa könne man über eine Solarpflicht bei Gebäudeneubauten und Dachsanierungen auf allen geeigneten Gebäuden und auf öffentlichen Stellplätzen nachdenken. Auch bei der Umsetzung von Photovoltaik im Bereich des Denkmalschutz, könnte mehr getan werden. So habe Nordrhein-Westfalen etwa das Landesdenkmalschutzgesetz evaluiert und darin verbindlich geregelt, dass der Denkmalschutz verpflichtet sei, den Aspekt des Klimaschutz klar mit einfließen zu lassen. Dadurch würden sich PV-Anlagen in denkmalgeschützten Gebäuden leichter umsetzen lassen. Was keine Aushebelung des Denkmalschutzes zur Folge habe, sondern lediglich eine Verschlankung des Planungsprozesses. In Thüringen würden oft schon während eines Planungsprozesses früh von Denkmalschützer*innen nahegelegt werden, von dem Vorhaben abzusehen. Eine Evaluierung des Denkmalschutzgesetzes sei also auch in Thüringen denkbar und wie so vieles andere vielleicht auch notwendig. Denn im Moment würden wir bei weitem nicht die angestrebte Ausbauleistung erreichen. Das Ziel, so erklärte Bernhard Stengele, sei klar definiert aber im Moment sehe es nicht danach aus, als ob man das erreichen könnte. Man verliere Zeit – mit jedem Jahr mehr. Auf die Frage, wie man es denn in Thüringen trotz allem schaffen könne, die Ziele zu erreichen, antwortete Daniel Krieg, dass es eine Handwerksinitiative brauche. Die Anlage müsse immerhin von jemandem auf das Dach gebracht und verschaltet werden. Danach sei der Prozess allerdings noch nicht abgeschlossen, die Anlage speise noch keine Energie in das Netz ein. Der Anschluss müsse noch geprüft und durch den Netzbetreiber freigeschaltet werden, was mittlerweile aufgrund von personellen Schwierigkeiten bis zu ein Jahr dauern könnte. Stephan Ostermann erklärte dazu, dass es schon helfen könnte, wenn Elektriker*innen Anlagen unter 30 Kilowattstunden selbst anschließen könnten. So müssten die Netzbetreiber das nicht tun und hätten mehr Zeit um größere Anlagen anzuschließen. Weiter fuhr er fort, dass er selbst gar nicht so negativ eingestellt sei, was das Erreichen der Ausbauziele angehe. Da jetzt Großfreiflächen beim Ausbau hinzu kämen, würde immerhin wieder etwas Schwung in die Sache kommen. Und, wie Ramona Rothe ergänzte, Bewegung sei immerhin schon da. So viel Zubau an PV-Anlagen wie in diesem Jahr habe es in Thüringen noch nie gegeben. Auch der Durchbruch mit dem Urteil zu Wind im Wald, sei allein symbolisch schon wahnsinnig viel wert. Wichtig sei auch, so ergänzte Stephan Ostermann, dass man über Mythen aufkläre und mehr informiere. Wie Ramona Rothe es ausdrückte, seien es viele Feinheiten die jetzt passieren müssten. Man habe jahrelang geschlafen, aber jetzt könne man spüren dass viele Menschen und Kommunen beginnen umzudenken. Wenn die Politik jetzt mitziehe, der Bund die richtigen Vorgaben mache, dann sei jetzt die Chance ehrgeizig anzupacken. Dafür müsse man alles geben, was gehe. Und das gehe am besten mit einem Lächeln und einem freundlichen Wort.