1. Mai 2022: „GeMAInsam Zukunft gestalten“

GeMAInsam Zukunft gestalten ist das diesjährige Motto des ersten Mai. Was in manchen Jahren ein Spruch wie jeder andere gewesen wäre, stimmt in diesem Jahr nachdenklich. Denn es gibt viele Dinge, die die Zukunft momentan besonders ungewiss machen. Für viele Menschen war es immer ein Antrieb im Leben, dass ihre Kinder es einmal besser haben sollen. Diese Möglichkeit gibt es nun kaum noch. Zu sehr haben vergangene Generationen über ihre Verhältnisse gelebt, zu sehr tun wir es jetzt noch. Zu sehr haben wir die Ressourcen dieses Planeten ausgebeutet, die Klimakrise vorangetrieben, die Welt um uns herum respektlos behandelt. Und noch immer haben nicht alle verstanden, mit welcher Heftigkeit und in welchem Umfang die Klimakrise das Leben, wie wir es kennen, beeinträchtigen wird. Gemeinsam Zukunft gestalten heißt daher vor allem, mit aller Entschlossenheit dafür zu sorgen, dass ein Leben auf dieser Erde in Zukunft überhaupt noch möglich ist. Damit es zukünftige Generationen vielleicht nicht besser, aber zumindest nicht sehr viel schlechter haben.

Dazu kommt jetzt der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Er stellt so vieles auf den Kopf. Es ist vollkommen unklar, wann und wie dieser Krieg enden wird und welche Auswirkungen er auf unsere Friedensordnung in Europa haben wird. Auch deswegen braucht die Ukraine unsere Hilfe: denn die Menschen dort verteidigen nicht nur ihr Land. Sie verteidigen auch unsere Werte von Demokratie und Teilhabe, von Menschenrechten und Freiheit. Natürlich muss dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden. Aber durch Kapitulieren? Haben wir nicht in Butscha gesehen, was den Unterlegenen durch die russische Armee droht? Können wir den Menschen in der Ukraine guten Gewissens raten, die Waffen niederzulegen, um das Blutvergießen zu beenden, oder beginnt damit nicht neues Morden? Würden wir, hier in Deutschland, in Weimar, einfach aufgeben, wenn der Krieg mit Mord, Vergewaltigungen und Folter vor unserer Tür stünde?

Und doch darf dieser Krieg, dürfen Waffenlieferungen nicht zu einem neuen Wettrüsten führen. Denn für die Zukunft ist klar: eine wirklich friedliche Welt gibt es nur ohne Waffen. Echten Frieden gibt es nur, wenn wir die Sicherheit von Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht die von Territorien. Wenn wir Frieden nicht als Abwesenheit von Krieg verstehen, sondern als eine dauerhafte stabile gesellschaftliche Ordnung, in der niemand mehr unterdrückt und benachteiligt wird. In der alle Menschen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung und Gewaltschutz haben. In der nicht Abschreckung, Aufrüstung und Gewaltandrohung die internationalen Beziehungen bestimmen, sondern Kooperation. Ich bin sehr froh, dass wir mit Annalena Baerbock jetzt eine Außenministerin haben, die genau das tut. Auch wenn uns dieser Friede gerade wie eine Utopie vorkommen muss und wir gerade so manche bittere Entscheidung treffen müssen, dürfen wir doch nicht aufhören, für diesen echten Frieden einzustehen.

„Die langen Jahre des Stillstands, des Verweigerns müssen nun endlich vorbei sein, und ich bin sehr optimistisch, dass uns das mit der neuen Bundesregierung gelingt. Wir kennen die Probleme im Land seit langem, jetzt muss endlich gehandelt werden!“

Doch was lernen wir im Inland aus diesem Krieg? Wir lernen wie leicht 100 Milliarden Euro beschafft sind, wenn es nur plötzlich den Willen gibt. Wo sind die 100 Milliarden für Schulen und Kindergärten? Für den Kampf gegen Kinderarmut? Oder gegen die Klimakrise? Die langen Jahre des Stillstands, des Verweigerns müssen nun endlich vorbei sein, und ich bin sehr optimistisch, dass uns das mit der neuen Bundesregierung gelingt. Wir kennen die Probleme im Land seit langem, jetzt muss endlich gehandelt werden! Wir müssen auch in Deutschland echten Frieden schaffen. Die soziale Schere geht weiter auf. Mehr als 40.000 Kinder und Jugendliche in Thüringen wachsen in Armut auf. 17,7 % der Thüringer*innen sind von Armut betroffen oder bedroht – kein Wunder bei dem hohen Anteil an Geringverdiener*innen im Land. Das neue Prekariat sitzt nicht mehr in der Produktion, sondern in der Dienstleistungsbranche. Sie sind es vor allem, die ausgebeutet und zunehmend abgehängt werden. Das ist die Alleinerziehende, die zwei Putzjobs braucht, um über die Runden zu kommen. Das ist der junge Migrant, der für einen Hungerlohn für Amazon malocht. Und das sind Erzieher*innen und Pflegekräfte, die eine so wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft leisten und doch wie der Bodensatz behandelt werden. Sie haben endlich eine angemessene Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen verdient! Es sind wiederum überwiegend Frauen, die diese Tätigkeiten verrichten und die damit gesellschaftlich akzeptiert an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Das muss aufhören!

Gleichzeitig steigt der Wohlstand der Reichsten der Welt trotz der Corona-Pandemie weiter ungebremst. Und während die Preise steigen, manche Familien nicht wissen, wie sie ihren Wocheneinkauf oder ihre Heizkosten bezahlen sollen, kauft sich Elon Musk für 44 Milliarden ein soziales Netzwerk. Wir brauchen daher endlich eine Vermögenssteuer, die die wirklich Reichen angemessen an der Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben beteiligt. Wir brauchen endlich eine Kindergrundsicherung. Diese wird gerade im Bund erarbeitet und tritt hoffentlich zügig in Kraft. Wir brauchen endlich höhere Löhne, und ich freue mich, dass Thüringen von der Erhöhung des Mindestlohnes im Herbst besonders profitieren wird. Und wir brauchen endlich eine echte Grundsicherung und eine Garantierente. Im Kampf für alle diese Dinge, für betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeitsbedingungen sind die Gewerkschaften unverzichtbare Partnerinnen und ich bin stolz, in diesem Jahr selbst Gewerkschaftsmitglied geworden zu sein.

Denn es gibt noch so viel zu tun. Und auch, oder gerade weil die Zeiten so düster sind, dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben. Lasst es uns gemeinsam anpacken.“

Redebeitrag von Landessprecherin Ann-Sophie Bohm bei der Maikundgebung in Weimar am 01. Mai 2022.