Ost-Landesvorsitzende zum Wahlprogramm

Am Mittwoch, den 5. April 2017 haben sich die Landesvorsitzenden der ostdeutschen Flächenländer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Stralsund getroffen, um über den Programmentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bundestagswahl zu beraten. Ohne das Ost-West-Denken zu verfestigen, wollen die Parteivorsitzenden der neuen Bundesländer die strukturellen Unterschiede im Bereich der Agrarstrukturen und bei der Einkommens- und Vermögensverteilung stärker berücksichtigt sehen. Grundsätzlich begrüßen die Landesvorsitzenden den Programmentwurf vom Bundesvorstand, sehen aber an einigen Punkten noch Änderungsbedarf.

„Es ist richtig, Ökologie, Weltoffenheit und eine faire und soziale Gesellschaft stets im Zusammenhang zu sehen“, erklärt der Thüringer Landessprecher Rainer Wernicke, „wir finden uns auch aus ostdeutscher Sicht sehr gut in dem Programmentwurf wieder. So wurden viele Schlüsselprojekte, die für Thüringen eine hohe Relevanz haben, eingearbeitet. Hervorheben möchte ich die Renaturierung von Flüssen für den Hochwasser- und Artenschutz und die Stärkung der Entwicklung im ländlichen Raum“.

Im sozialen Bereich freut sich der Thüringer Landessprecher über den grünen Ansatz in der Sozialversicherung und die Einführung einer Grundrente. „Wir stellen mit einer Bürgerversicherung als einzige die Weichen auf eine zukunftstaugliche und bezahlbare Kranken- und Rentenversicherung für alle. Insbesondere die Absicherung von Solo-Selbständigen liegt mir am Herzen“, so Rainer Wernicke. „Wir haben in Thüringen viele kleine Unternehmer vom Hausmeisterservice bis hin zu Start-Up-Gründern und Freiberuflern“.

Es gibt aber auch noch die Möglichkeit auf Verbesserungen am Programmentwurf. Vom 16. bis 18. Juni wird auf der Bundesdelegiertenkonferenz das endgültige Wahlprogramm verabschiedet.

„Was uns im Energiebereich allerdings noch fehlt, sind bundeseinheitliche Netzentgelte. Es kann nicht sein, dass wir Ostdeutsche mehr bezahlen, nur weil wir weniger Strom verbrauchen, dünner besiedelt sind und der Ausbau der Erneuerbaren bei uns bereits weiter fortgeschritten ist“, so Rainer Wernicke.

Den Brandenburger Landesvorsitzenden Clemens Rostock freut besonders der endgültige Ausstieg aus der Kohle und das Ziel, die Massentierhaltung zu beenden.

Das anvisierte „Zukunftsprogramm Nahverkehr“, mit dem die Qualität verbessert und die Passagierzahlen verdoppelt werden sollen, stößt ebenfalls auf das Lob der Landesvorsitzenden. „Allerdings wollen wir an dieser Stelle noch stärker betonen, dass der Nahverkehr gerade im ländlichen Raum als Anker der Daseinsvorsorge gesichert und ausgebaut werden muss“, so die Landesvorsitzenden.

Positives Echo erfuhr der Wahlprogrammentwurf auch im Bereich Freiheit und Demokratie. „Das Eintreten gegen jede Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir wollen die Demokratie stärken und stehen konsequent gegen Hass und menschenfeindliche Hetze.“ so Jürgen Kasek, der sächsische Landesvorsitzende.

Überarbeitungsbedarf sahen die Landesvorsitzenden im Bereich der Sicherheitspolitik. „Aus unser DDR-Erfahrung und unserem liberalen Gesellschaftsbild heraus sehen wir den immer weiteren Ausbau der Sicherheitsarchitektur zur Überwachung der Gesellschaft kritisch. Die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben und die Grundrechte dürfen nicht immer mehr ausgehöhlt werden. Mehr Überwachung und schärfere Gesetze verhindern keinen Terror, aber sie untergraben die Grundlagen unseres freiheitlichen Rechtsstaates. Das wollen wir im Programm klarer herausstellen“, so Kasek weiter.

Auch im Bereich der Gerechtigkeit fanden die Landesvorsitzenden lobende Worte. „Wir freuen uns, dass das Thema Kinderarmut konsequent angegangen werden soll“, so Claudia Müller, die Landesvorsitzende aus Mecklenburg-Vorpommern. 12 Milliarden Euro wollen die Grünen in die Stärkung der Familien investieren. „Unabhängig vom Trauschein“, betont Müller.

„Uns fehlt jedoch das klare grüne Bekenntnis, die bestehende Ungleichheit zwischen Ost und West, besonders bei Löhnen und Renten, zu beseitigen. Es ist grüner Konsens. Wenn wir nicht gegensteuern, werden die ohnehin großen Stellenbesetzungs-Probleme bei z.B. Lehrern, Pflegepersonal und im Gastgewerbe weiter zunehmen“, so Susan Sziborra-Seidlitz, Landesvorsitzende aus Sachsen-Anhalt.