Bürgerenergie: Wind of Change

Rückblick auf den digitalen Feierabend vom 4. Januar 2023 „Bürgerenergie Bund/Land – Wind of Change“

Im Moment müssten wir bei allem was wir tun, die Situation in der Ukraine mitbedenken. Nicht zuletzt durch den Krieg ist die Abhängigkeit von Russland deutlich geworden. Zudem wissen wir um die Auswirkungen der Verbrennung fossiler Energieträger auf unser Klima. Und wir wissen, welches Elend die Klimakrise in den nächsten Jahrzehnten hervorrufen wird. Deshalb wurde zum ersten Digitalen Feierabends dieses Jahres über ein Thema diskutiert, was helfen könnte, die Krise abzuflachen: Bürgerenergie.

Zusammen mit Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Burkhard Vogel, Staatssekretär im Thüringer Umweltministerium, Ramona Rothe,  Leiterin der Servicestelle Windenergie der ThEGA und Reinhard Guthke, Vorsitzender der BürgerEnergie Jena, wurde über die Chancen, die die Bürgerenergie für die Energiewende birgt, den aktuellen Gesetzesstand und über Hürden der Energiewende diskutiert, moderiert von unserem Landessprecher Bernhard Stengele.

2019, im Wahlkampf in Thüringen sei das Thema Windenergie ein absoluter „Downer“ gewesen. Windenergie sei etwas gewesen, was von außen „herein gepflanzt“ worden sei, wobei der Strom womöglich dann auch noch in andere Regionen geliefert wurde. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands der Erneuerbaren Energien machte deutlich: das kann auch anders gehen. Nach 20 Jahren der Energiewende in Deutschland habe sich gezeigt, dass Windparks auch ohne große Widerstände oder Einwände geplant werden könnten, mit einer Situation in der alle gewinnen würden. Und zwar mit Bürgerbeteiligung. Einige Prognosen hätten errechnet, dass der Strombedarf in Deutschland bis 2045 von Erneuerbaren Energien abdeckbar sein werde – dafür müsse der Anteil dieser aber enorm zunehmen. Seit Kriegsbeginn sei zumindest der Anteil der Menschen die sich für Erneuerbare Energien aussprechen würden, gewachsen. Langsam, so Simone Peter, merke man, dass heimische Energieträger günstiger seien. Davon komme zwar bei den Bürger*innen noch nicht allzu viel an, aber je mehr ausgebaut werde, desto mehr drücke das auch die Preise. Aber nicht nur der Kostenfaktor könnte Erneuerbare Energien attraktiver machen. Bürgerenergie biete auch die Chance, dass die Bürger*innen sich selbst als aktiven Teil der sich wandelnden Energiewirtschaft verstehen könnten, was folglich zu mehr Akzeptanz führe.

Mit dem Osterpaket der Bundesregierung habe sich einiges für die Bürgerenergie getan, etwa sei die Definition einer Bürgerenergiegesellschaft verschärft worden, aber auch ein Förderprogramm ist aufgelegt worden, um Bürgerenergiegesellschaften bei Planungs- und Genehmigungskosten unterstützen zu können. Mit diesem Programm erhoffe man sich außerdem die Erhöhung der Akteur*innenvielfalt bei der Umsetzung der Energiewende und eine Minimierung des Risikos für Bürgerenergieprojekte. Bewerben können sich alle Bürgerenergiegesellschaften, welche der erneuerten Definition entsprechen. Gefördert würden bis zu 70% der Planungs- und Genehmigungskosten. Das bedeutete konkret, Kosten für den Prozess der Vorplanung, etwa Machbarkeitsstudien oder Standortanalysen, Kosten für Gutachten oder auch für Rechts- und Steuerberatungsleistungen könnten gefördert werden. Wenn das Projekt nicht genehmigungsfähig sei, müsse dieser Zuschuss nicht zurückgezahlt werden.

Für Thüringen ergeben sich in dem Zusammenhang mit dem Förderprogramm aber einige Schwierigkeiten, so sei es beispielsweise schwer für einige Bürgerenergiegesellschaften die Mindestanzahl an Personen erfüllen zu können, um der Definition des Bundes zu entsprechen und damit am Förderprogramm teilnehmen zu können. Vor wenigen Tagen sei deshalb der Bürgerenergiefonds in Thüringen ergänzend in Kraft getreten. Dieser, so Burkhard Vogel, Staatssekretär im Umweltministerium, fülle Lücken die das Programm des Bundes lasse. So könnten Projekte schon ab sieben Personen gefördert werden. Zum Beispiel werde auch Solarenergie gefördert (was bei dem Programm des Bundes nicht der Fall ist), Energieeffizienz bei Gebäuden, neue Mobilität oder auch die Digitalisierung der Energiewirtschaft. Mit diesen Programmen könnten Vorhaben unterstützt und Menschen motiviert werden, an der Energiewirtschaft teilzuhaben. Wie Ramona Rothe, ThEGA, ergänzte, die Vorhaben könnten nur begrüßt werden und entsprechende Schwierigkeiten die sich ergeben würden, könnten durch das Landesprogramm gelöst werden.

Weiter fuhr sie fort, im Bereich der Windenergie habe sich die Bürgerenergie in Thüringen schon gut entwickelt. Dem pflichtete auch Reinhard Guthke, BürgerEnergie Jena eG, bei. Man sei mit der ThEGA und dem Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz in einer guten Situation. Zusätzlich sei in Thüringen die gute Vernetzung der Bürgerenergiegesellschaften untereinander etwas besonderes. Problematisch sah er allerdings, dass Personen sich nur ehrenamtlich für die Bürgerenergiegesellschaft engagieren könnten, nicht hauptamtlich. Mit Förderprogrammen sei man aber auf den richtigen Wegen, so sei das Programm SolarInvest innerhalb weniger Stunden ausgebucht gewesen, genau wie das Förderprogramm für Solaranlagen für Balkone in Jena. Wie Simone Peter erklärte, könnten auch weitere Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung denkbar sein. Etwa Bürgerstrommodelle, oder finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger*innen. Um die Ziele bis 2030 erreichen zu können, müssten Menschen besonders im eigenen Haus motiviert werden, sich zu beteiligen. Die Energiewende biete eine enorme Chance für Wertschöpfung vor Ort.

Das Ziel, so Bernhard Stengele, könnte sein, dass man schaffe, eine ähnliche Identifikation der Menschen mit Erneuerbaren Energien zu schaffen, wie das mit dem Bergbau der Fall gewesen sei. Denn, wenn Erneuerbare Energien nicht bei den Menschen im Ort verankert sei, könne man die Akzeptanz dieser nicht erreichen. Und ohne diese, ohne die Menschen, funktioniere es nicht. Aber wie Ramona Rothe bekräftigte: „Möge alles besser werden – aber so schlecht sind wir gar nicht auf dem Weg.“