Verschwörungsmärchen in Zeiten von Corona, Immunitätsausweise und angebliche Impfpflicht


Nachtrag Februar 2022: Achtung! Dieser Artikel wird aktuell in Kreisen von Verschwörungstheoretiker*innen und Querdenker*innen gestreut. Da die Impfpflicht jetzt intensiv diskutiert und eventuell eingeführt wird, sehen sie eine Bestätigung für ihre Erzählungen. Wir sprechen in dem Artikel allerdings von Impfzwang, der etwas substantiell anderes ist, als eine Pflicht. Einen Zwang soll und kann es weiterhin in Deutschland nicht geben. Da ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz klar. Eine Pflicht kann zwar sanktioniert werden, aber nicht gegen den Willen durchgesetzt werden. Der Artikel, der durch die galoppierenden Ereignisse schon heute historisch ist, spiegelt den Stand vor zwei Jahren. Vieles bleibt auch aus heutiger Sicht richtig.


Unsere Gesellschaft befindet sich in einem Ausnahmezustand. Niemand hat bisher eine ähnliche Situation erlebt, keiner kann mit Sicherheit sagen, wie es die nächsten Monate weitergeht. Die geschlossenen Schulen und Kindergärten, Geschäfte und Kultureinrichtungen zehren an Nerven und Kraft von uns allen. Es ist vollkommen verständlich, dass in dieser Situation Unsicherheit und Angst vorherrschen. Doch wir dürfen das nicht zum Anlass nehmen, bewusst gestreuten Falschinformationen und Hetze Raum zu geben.

Derzeit kursieren viele Verschwörungsmärchen: Sie berichten von einer angeblich lang geplanten Mission, die das Ziel hat, Bürger*innenrechte langfristig einzugrenzen und alle Bürger*innen zwangszuimpfen. Diese Meldungen sind falsch! Sie sind bewusst in die Welt gesetzt und spielen rechten Demagogen in die Hände, die Angst und Unsicherheit der Menschen ausnutzen wollen. Sie versuchen, spalterische Stimmungen zu schüren und generieren sich als angeblicher Widerstand. In Wahrheit haben diese Volksverhetzer kein Interesse an den Bedürfnissen der Menschen. Sie versuchen lediglich, sie zu instrumentalisieren und gegeneinander aufzubringen, um die Oberhand zu gewinnen.

Wir bitten euch daher: Schenkt solchen Erzählungen keinen Glauben und verbreitet sie nicht! Sie schaden unserer Gemeinschaft und bedrohen unsere Demokratie. Es ist richtig und wichtig, kritisch zu sein. Davon lebt unsere Demokratie. Aber das Verbreiten von Fake-News schürt Ängste und spaltet die Gesellschaft. Wir appellieren daher an euch, die Quellen von Informationen genau auf Seriosität zu prüfen und nur gesicherte Informationen aus verlässlichen weiterzuverbreiten. Hetze, Gerüchte und Panikmache dürfen sich nicht verbreiten. Wer solche Meldungen verbreitet, handelt nicht im Sinne von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN!

In den sozialen Medien werden derzeit entsprechende Falschmeldungen massiv verbreitet. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet die Flut solcher Meldungen inzwischen als Infodemie. Deshalb zur Klarstellung: Entgegen der Behauptungen gibt es gibt keine Abstimmung zu einem Impfzwang und auch keinen dahingehenden Gesetzentwurf der Bundesregierung oder irgendeiner demokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag.

Nichtsdestotrotz wird unsere Gesellschaft darauf angewiesen sein, dass möglichst viele Menschen sich impfen lassen, sobald ein sicherer und wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Nur so kann die Pandemie überwunden werden. Von einer Pflicht kann dabei aber keine Rede sein.

Als Bündnisgrüne sehen wir es als unsere Aufgabe an, geplante Regelungen und aktuelle Maßnahmen kritisch-konstruktiv zu begleiten. Daher hinterfragen auch wir einige Vorstöße sehr kritisch.

Die zwar geplanten, aber vorerst auf Eis gelegten, Regelungen zur Immunitätsdokumentation sehen wir ebenfalls aus vielerlei Gründen sehr kritisch. Zum einen sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus noch nicht so weit, dass wir mit Sicherheit sagen können, wie lange eine Immunität gegeben ist. Auch die Antikörpertests bieten noch keine absolute Sicherheit vor falsch-negativen Ergebnissen. Zum anderen öffnen Regelungen, welche die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen einteilen, nämlich in immune und nicht-immune Personen, Tür und Tor für soziale Spaltungen und Diskriminierungen. Besonders schwer wiegt zudem, dass diese Regelungen nicht nur auf COVID-19 beschränkt sein könnten. Solche Regelungen müssen gründlich geprüft und abgewogen werden. Mit der Ankündigung, zunächst die Stellungnahme des Ethikrates abzuwarten, bis diese Regelungen weiter beraten oder gesetzlich verankert werden, hat der Bundesgesundheitsminister gerade noch einmal die Kurve gekriegt. Es ist völlig klar, dass er damit auf die zahlreichen Proteste – nicht zuletzt aus unseren grünen Oppositionsreihen – reagiert.

Auf die längst verlassenen Pfade, auf denen Menschen mit Infektionskrankheiten stigmatisiert und diskriminiert werden, wollen wir keinesfalls zurückkehren, wir als Grüne werden uns lautstark dafür einsetzten, dass auf derartige Gesetzesänderungen verzichtet wird.

Uns ist klar: Die Ungewissheit und die Unsicherheit sind schwer zu ertragen. Doch wir bitten euch: Bleibt geduldig und vernünftig! Nur gemeinsam, in Kooperation, können wir diese Situation meistern.

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit MdB Kordula Schulz-Asche und dem Büro von MdB Katrin Göring-Eckardt entstanden.