9. Mai ist Europatag – Was heißt das?

Ein Gastbeitrag von Reinhard Bütikofer,
Abgeordneter im Europäischen Parlament
mit Büro in Erfurt

Am 9. Mai ist der Europatag. Der Europatag 2020 ist ein besonderer, denn dieses Jahr jährt sich zum 70. Mal die berühmte Schuman-Erklärung, die der europäischen Einigung bis hin zur heutigen EU der 27 den entscheidenden Impuls gab. In Erinnerung an diese Schuman-Erklärung feiern wir den Europatag.

Robert Schuman war damals französischer Außenminister. Er schlug für die französische Regierung vor, „die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle-und-Stahlproduktion einer gemeinsam Hohen Behörde zu unterstellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht.“ Das war der Anstoß zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), aus der später die Europäische Gemeinschaft und schließlich die Europäische Union erwuchs. Die Motivation des Schuman-Plans war friedenspolitisch. Daran erinnert, wer sagt, die europäische Integration sei ein Friedensprojekt.

Viele Jahre wuchs die europäische Integration Schritt für Schritt, aber nur im Westen des Kontinents. Erst der Untergang der Sowjetunion vor etwas mehr als 28 Jahren ermöglichte es, das Projekt der europäischen Einheit für alle Länder Europas zu öffnen. Großbritannien ist das einzige Land, das die EU wieder verließ.

Interessant ist, wie sich in den letzten Jahren im öffentlichen Diskurs die Begründung entwickelt hat für die europäische Integration. Jahrzehntelang basierte das Bekenntnis zur Union auf der Überzeugung, Europa müsse in der EU zusammenfinden, um die jahrhundertealte Geschichte europäischer Zerrissenheit, europäischer Kriege und insbesondere die Geschichte europäischer Nationalismen hinter sich zu lassen. Die europäische Integration hatte insoweit ein europäisches Ziel. Jüngeren Datums ist eine zweite Begründung. Europas Länder müssen sich zusammenschließen, weil keines von ihnen stark genug ist, auf eigene Faust seine Werte und Interessen gegenüber globalen Partnern und globalen Risiken wirksam zu vertreten.

Rückblickend würde ich sagen, dass die EU in den letzten zehn Jahren viele Schritte unternommen hat, um den inneren wie den äußeren Herausforderungen gerecht zu werden. Vieles geschah stolpernd, widersprüchlich und blieb bis jetzt Stückwerk. Ich glaube, das kann letztlich nicht anders sein bei einem historisch einmaligen politischen Unterfangen: dass eine große Zahl von souveränen Ländern sich dazu versteht, in friedlicher Weise und im Rahmen einer Mehrebenendemokratie die eigene Zukunft durch Integration zu gestalten.

Auf Deutschland kommt es bei diesem Ringen besonders an. Deutschland ist das mächtigste Land in der EU, das Land, ohne das wenig geht. Deutschland kommt gar nicht umhin, eine Führungsverantwortung in der EU wahrzunehmen. Nicht alleine, sondern in Partnerschaft mit anderen. Aber diese Führungsverantwortung muss sich bewusst sein, dass es für Europas Fortschritt besonders hinderlich ist, wenn Deutschland seine eigenen Interessen über die Europas stellt. Wenn es Europa nicht gutgeht, kann es Deutschland auf Dauer nicht gutgehen. Deshalb ist die europäische Integration zentraler Bestandteil deutscher Staatsräson. Dafür müssen auch wir Grüne uns immer wieder starkmachen.