Was lernen wir aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt?

Das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt war nicht nur für unsere Parteifreund*innen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwischen Altmark- und Burgenlandkreis, Harz und Wittenberg ernüchternd. Für uns stellt sich vor dem Hintergrund unserer parallel zur Bundestagswahl avisierten Landtagswahl die Frage: 

Was lernen wir daraus?

 Die Idee, auf einer aus dem Bund kommenden Welle surfen zu können, hat sich als falsch herausgestellt. Dafür gab es in Sachsen-Anhalt mehrere Gründe. So wurde nach der Designierung von Annalena Baerbock als Grünen-Kanzler*innenkandidatin eine bundesweite Negativ-Kampagne gestartet, an der sich auch die Unionsparteien mit teils regelrecht niederträchtigen Beiträgen beteiligt haben. Der anfängliche Hype wurde dadurch schnell eingetrübt.

Dann kam eine Reihe von – an und für sich belanglosen – kleinen Fehlern dazu: die Diskussion um nicht angezeigte Nebeneinkünfte von Annalena überlagerten plötzlich den in seiner Dimension ungleich gravierenderen Maskenskandal der CDU. Fehlerhafte Details in der schriftlichen Biographie von Annalena, kombiniert mit der Diskussion um die Benzinpreiserhöhung und einem zu langsamen Fehlermanagement, machten aus dem anfänglichen Rückenwind schnell einen Gegenwind. Die teilweise zweistelligen Umfrageergebnisse für die Grünen in Sachsen-Anhalt begannen zu bröckeln.

Ungefähr zehn Tage vor der Wahl veröffentlichte Insa dann eine Umfrage, die die AfD gleichauf mit der CDU zeigte. Das führte zu einer großen Mobilisierung all jener Wähler*innen, die verhindern wollten, dass die AfD stärkste Partei im Land wird. Ein sogenanntes Horse Race begann – die Zuspitzung der Entscheidung auf Personen, weg von Inhalten. Ministerpräsident Haseloff nutzte dieses hocheffektiv für sich und seine Partei, die CDU. Und so betrug der Unterschied am Ende 16,3 Prozent. Die Bündnisgrünen hingegen landeten bei für sie enttäuschenden 5,9 Prozent (tagesschau.de).

Das alles erinnerte uns an die Entwicklung und das Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen im Jahr 2019 (tagesschau.de). Aus „Bodo oder Barbarei“ wurde eben „Hasseloff oder Barbarei“. Wir als Partei, die sich stärker über Inhalte und weniger über Personenzentriertheit definiert, hatten dabei das Nachsehen.

In mehreren Analysegesprächen sowie dem mit Michelle AngeliAntonia SchwarzLaura Wahl und Reinhard Bütikofer hochkarätig besetzten Digitalen Feierabend am 16. Juni haben wir folgende Erkenntnisse gewonnen: 

  • Die Fixierung auf Personen nimmt in Wahlkämpfen ständig zu. Für die Landtagswahl in Thüringen sind wir mit Anja Siegesmund sehr gut aufgestellt.
  • Unsere Kandidat*innen müssen bei den Wähler*innen nicht nur mit Inhalten, sondern auch als Person überzeugen und sympathisch rüberkommen. Ein positives, verwurzeltes und bürger*innenahes Auftreten ist einem rein inhaltlichen Auftreten vorzuziehen.
  • Die größte Wähler*innengruppe sind die sogenannten „Ü60“. Um sie besser zu erreichen, müssen wir, insbesondere im ländlichen Raum, neue Organisationsformen finden und ihre Themen in den Fokus rücken.
  • Es reicht nicht aus, zu sagen, dass das Thema Klimawandel „wichtig und richtig“ ist – wir müssen klimaökonomische und klimasoziale Argumente liefern, die unsere Forderungen verständlich und nachvollziehabr untermauern.
  • Es braucht eine neue Sprache der direkten Kommunikation, die Vertrauen in die Veränderungen schafft. Freundliche, zugewandte Ansprache und geduldiges Zuhören können helfen.
  • Jede*r sollte so Wahlkampf machen, wie es ihr oder ihm entspricht. Denn: Wahlkampf muss Freude machen und authentisch sein, sonst funktioniert es nicht.

Bernhard Stengele / Landessprecher