Bundeswehr – Quo vadis?

Rückblick auf den Digitalen Feierabend vom 16. März 2022: „Bundeswehr – Quo vadis?“

100 Milliarden Euro – mit dieser Zahl hat Olaf Scholz sich in die Gehirne vieler Bürger*innen eingebrannt. Uns Bündnisgrüne stellen diese enormen Summen in Rüstung nicht nur vor moralische Grundsatzfragen, auch drängt sich bei vielen die Frage auf, wohin das ganze Geld eigentlich fließen soll. Unsere Landessprecherin Ann-Sophie Bohm sprach mit Danny Greulich und Norman Böhm als Vertretern von BundeswehrGrün, um mit ihnen über strukturelle Missstände in unserer Armee zu diskutieren und darüber, was es in der Bundeswehr eventuell neben finanziellen Aufstockungen bräuchte, um die Streitkräfte als Verteidigungs- und Parlamentsarmee adäquat ausrüsten zu können.

Für manche mag sich die Vorstellung eines grünen Bundeswehrsoldaten paradox anhören, doch für Danny Greulich und Norman Böhm ist es gelebter Alltag. Beide sind während ihrer aktiven Laufbahn den Grünen beigetreten. Der Verein BundeswehrGrün e.V. wurde vergangenes Jahr gegründet und dient der parteiunabhängigen Vernetzung grüner bzw. grünennaher Soldat*innen, die sowohl in der Bundeswehr grüne Themen und Sichtweisen einbringen als auch auf die grüne Partei als Mittler zugehen wollen.

Gleich zu Beginn wurde klargestellt, dass die 100 Mrd. € nicht, wie von vielen falsch angenommen, zusätzlich zum Ziel von 2% des Bundeshaushalts für Verteidigungsausgaben geplant sind, sondern hierauf angerechnet werden sollen.

Die dennoch kontrovers diskutierte Summe von 100 Milliarden Euro Sondervermögen begrüßen Danny Greulich und Norman Böhm, weil sie nicht aus der Luft gegriffen sei. Sie beruhe auf einem aktuellen Papier des Verteidigungsministeriums, das den Finanzierungsbedarf zur Ausrüstung der Streitkräfte kalkuliert hat.

Und der Finanzierungsbedarf ist hoch, da waren sich alle einig. Die aktuellen Verteidigungsausgaben würden laut Danny Greulich bereits beinahe zur Hälfte der Gehälter- und Ruhestandsfinanzierung zufallen, für Neuanschaffungen oder Reparaturarbeiten wäre einfach nicht genügend Geld da. Dabei wäre sowohl die klassische als auch die moderne Ausrüstung teilweise marode oder nicht ausreichend vorhanden.

Diese Beschaffungsprobleme ergründen sich aus der Sicht von Norman Böhm auch in der Prioritätensetzung: Die Notwendigkeit einer gut ausgerüsteten Armee wurde von vielen lange Zeit aufgrund der komfortablen außenpolitischen Lage als nicht notwendig angesehen. Wenn man die Bundeswehr aber in der nun grundsätzlich veränderten internationalen Sicherheitslage leistungsfähig machen möchte, dann müsse das Geld zum einen effizienter, zum anderen aber auch in größeren Mengen fließen.

Um Probleme wie dem des Personalmangels in den Stellen der Bundeswehr entgegenzuwirken, bräuchte es aus der Sicht der Teilnehmenden auch einen Imagewechsel der Bundeswehr. Die aufgetretenen Fälle des Rechtsextremismus im Militär wären ein Grund, warum die Bundeswehr in vielen gesellschaftlichen Kreisen keinen guten Ruf genießt. Aus Sicht von Norman Böhm ist es Aufgabe der Bundeswehr, diese Leute konsequent aus dem Wehrdienst zu werfen. Eine langfristigere Präventionsmaßnahme wäre dabei auch, an dem Selbstverständnis der Soldat*innen zu arbeiten. Man müsse als Soldat*in kritisch mitdenken dürfen und nicht alle Befehle blind akzeptieren. Dazu gehört auch die Neuerfindung einer Fehlerkultur in der Armee, die das Aufdecken von Missständen innerhalb des Militärs erleichtern könne.

Ein Fazit zogen die beiden Referenten in Form eines Vergleichs der Ausrüstung mit der Energiewende: Das Geld werde gebraucht und sei notwendig, um die Bundeswehr mittelfristig adäquat auszurüsten. Es müssten aber auch die Voraussetzungen für eine Funktionsfähigkeit der Bundeswehr geschaffen werden. Dazu gehörten für Norman Böhm unter anderem Bürokratieabbau, ein zielstrebiges Einsetzen der vorhandenen Ressourcen (unabhängig von Lobbyinteressen) und ein veränderter Umgang mit Missständen innerhalb der militärischen Strukturen.