Nur Gedöns? Über feministische Außenpolitik

Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kostet nicht nur tausenden Menschen das Leben und bringt Millionen auf die Flucht, er wirft auch alte Fragen neu auf: Ist militärische Abschreckung wirklich der richtige Weg für eine stabile Ordnung? Wie können wir Frieden wirklich dauerhaft herstellen? Führen Waffenlieferung jetzt in eine neue Aufrüstungsspirale? Und haben Diplomatie und Kooperation als internationale Mittel ausgedient?

Wer diese Fragen beantworten will, kommt um eine feministische Außenpolitik nicht herum. Und genau darüber sprach unsere Landessprecherin Ann-Sophie Bohm beim digitalen Feierabend am 25. Mai 2022 mit Luise Amtsberg, Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe und mit Anna Hauschild, freiberufliche Bildungsreferentin und aktiv bei Woman’s International League for Peace and Freedom.

Beide Referent*innen betonten, dass feministische Außenpolitik nicht nur bedeute, mehr Frauen in den diplomatischen Dienst zu bringen, auch wenn dies eine wichtige Baustelle in der Neuausrichtung der Außenpolitik sei. Entscheidend sei vielmehr, die Ausrichtung der Außen- und auch der Innenpolitik grundsätzlich neu zu denken. Frauen und Kinder müssen nicht nur stärker in den Blick der außenpolitischen Bemühungen gerückt werden. Die Verpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte, zu Ernährungssicherheit und Zugang zu Bildung und Ressourcen gehöre ebenso dazu wie eine Neujustierung der Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik hin zur Beachtung zivilgesellschaftlicher Prozesse, die nachhaltig den Frieden sichern.

Dafür sei nicht nur entscheidend, bestehende gesellschaftliche Ungerechtigkeiten auszuhebeln, sondern auch Zivilbevölkerung und insbesondere Frauen in Friedensprozesse einzubeziehen. Untersuchungen zu Folge erhöht das die Wahrscheinlichkeit für einen länger anhaltenden Frieden signifikant. Aber auch das grundsätzliche Infragestellen der Machtverhältnisse gehöre dazu: global gesehen muss die Macht nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen dem globalen Norden und Süden gerechter aufgeteilt werden. Frieden darf zudem nicht nur als die Abwesenheit von militärischer Gewalt gesehen werden, sondern als langfristige gesellschaftliche Stabilität und Gerechtigkeit. Entscheidens seien dafür die 3R:

  • Ressourcen: zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die sich für Gleichstellung, Menschen- und Minderheitenrechte einsetzen brauchen finanzielle Unterstützung,
  • Repräsentanz: Frauen und gesellschaftliche Minderheiten müssen strukturell und systematisch in alle Entscheidungen einbezogen werden und
  • Rechte: die Wahrung der Menschen-, Minderheiten- und Frauenrechte muss an oberster Stelle stehen.

Klar wurde auch, dass eine feministische Außenpolitik erfordere, dass die Verletzung von Menschenrechten in internationalen Beziehungen klar verurteilt und nicht wirtschaftlichen Interessen unterworfen werden dürfe. Fraglich bleibt, ob eine feministische Außenpolitik, die Sicherheit als Sicherheit von Menschen und nicht von Territorien betrachtet und in internationalen Beziehungen auf Kooperation statt Abschreckung setzt, mit dem Prinzip der Nationalstaaten vereinbar ist.

Diskutiert wurde auch über die Frage, ob feministische Außenpolitik in der aktuellen Kriegssituation etwas ausrichten könne. Auch wenn klar sei, dass feministische Außenpolitik bestenfalls früher ansetzt, bevor Kriege und bewaffnete Konflikte ausbrechen, wurde sie von den Referent*innen auch in der jetzigen Situation als wichtig eingeschätzt. Ansätze dabei seien die Verurteilung und Aufklärung von Kriegsverbrechen, die Fokussierung auf das Schicksal von (flüchtenden) Frauen und Kindern, aber auch die Unterstützung und Einbeziehungen der Perspektive der ukrainischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Das Ernstnehmen und die Priorisierung der Bedürfnisse der Ukrainer*innen wurde daher als zentral eingeschätzt, auch mit Bezug auf die Waffenlieferungen.

Denn auch wenn feministische Außenpolitik den Einsatz von Waffen ablehnt und sich für die globale Abschaffung derselben einsetzt, sind doch die Gründe für die Waffenlieferungen auch aus der Perspektive der feministischen Außenpolitik nicht von der Hand zu weisen, vor allem wenn die Forderungen der Betroffenen priorisiert werden sollen. Trotzdem muss der Fokus auch auf der Situation nach dem Krieg gerichtet werden – eine Aufrüstungsspirale dürfe es nicht geben. Vielmehr brauche es einen umfassenden Plan zur Abrüstung, insbesondere von Massenvernichtungswaffen. Aus diesem Grund sei auch das Sondervermögen für die Bundeswehr aus Sicht der feministischen Außenpolitik kritikwürdig, da es eine militärische Konfliktbearbeitung zementiert und die Anschaffung weiterer Waffensystem, auch kompatibel mit Nuklearwaffen, ermögliche.

Festzuhalten ist, dass sich unter Führung von Annalena Baerbock im Bereich der feministischen Außenpolitik schon einiges getan hat – nicht nur im Blick auf die Veränderung der diplomatischen Beziehungen, sondern auch mit Blick auf die Umstrukturierungen im diplomatischen Dienst, in der internen Ausrichtung des Hauses und in der Priorisierung der Wahrung von Menschenrechte als diplomatisches Ziel. Dennoch gibt es weiterhin viel zu tun. Benötigt wird beispielsweise noch eine Art Weißbuch zur konzeptuellen Untersetzung der feministischen Außenpolitik der Bundesregierung. Auch andere Ministerien, wie beispielsweise das Entwicklungsministerium, müssen ihre Arbeit an der feministischen Außenpolitik ausrichten. Nicht zuletzt gibt es auch im Inland noch etliche Dinge zu tun, um Frauenrechte gleichberechtigt umzusetzen, beispielsweise im niedrigschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.