Demokratieverständnis in Grundwerten erschüttert

Am 5. Februar 2020 hat sich Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD, CDU und seinen Freien Demokraten zum Ministerpräsidenten in Thüringen wählen lassen. „Mit der Annahme der Wahl hat Kemmerich unser aller Demokratieverständnis in seinen Grundwerten erschüttert“, sagt Grünen-Landessprecher Bernhard Stengele zum heutigen Jahrestag dieser Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Seit 1945 gab es Höhe- und Tiefpunkte, Erfolge und Skandale – aber dass sich ein Kandidat einer vermeintlich bürgerlichen Partei mit Hilfe von Stimmen einer Partei rechts von CDU und CSU in ein Staatsamt wählen lässt, hat es bis vor einem Jahr noch nicht gegeben. Und wäre bis dahin für alle Demokraten undenkbar gewesen“, so Stengele weiter.

Nur dem hohen Druck aller demokratischen Kräfte in Thüringen sowie weit über die Grenzen des Freistaates hinaus ist es zu verdanken, dass Kemmerich nach nur drei Tagen im Amt am 8. Februar zurückgetreten ist und damit den Weg für eine geordnete Regierungsbildung ermöglicht hat. „Die Wiederwahl von Bodo Ramelow am 4. März hat unser Land vor einem heillosen Chaos zu Beginn der Corona-Pandemie bewahrt“, resümiert der Grüne, „man stelle sich vor, wir wären mit einem handlungsunfähigen MP Kemmerich in den ersten Lockdown gerauscht – nicht auszudenken!“

„Der Tabu-Bruch vom 5. Februar 2020, das AfD-blaue Auge, schmerzt jedoch bis heute“, so Stengele weiter. „Unsere Demokratie hat Schaden genommen. Dass Kemmerich sich bis heute als unschuldiges Opfer eines großen Missverständnisses geriert, schlägt dabei ebenso zu Buch wie die Tatsache, dass wir seinetwegen parallel zur Bundestagswahl, in Zeiten der Corona-Pandemie, eine Landtagswahl vorbereiten und durchführen müssen. Das belastet Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen wie die demokratischen Parteien und den Freistaat. Kememrich hat Thüringen damit einen teuren Bärendienst erwiesen. Ich würde mir wünschen, dass die Wählerinnen und Wähler dies bei ihrer Stimmabgabe am 26. September vor Augen haben.“