Der Kastenstand in Deutschland hat keine Zukunft mehr

Das lange, manchmal quälende Ringen um die Tierschutznutztierhalteverordnung hat sich gelohnt. Gerade in den letzten Wochen ging es nochmal hoch her. Und auch wenn Thüringen als Bundesland nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt war und wir Thüringer Grünen ohne Landwirtschaftsministerium auch nicht, so verhandelte Anja Siegesmund im Hintergrund doch mit und Fraktion und Landesvorstand hatten harte Diskussionen, um am Ende aber eine gemeinsame Haltung zum Kompromiss zu finden. Der Thüringer Bauernverband, mit dem wir auch geredet haben, war gar nicht zufrieden. Er wird aber bald feststellen, dass der Kompromiss auch für die Thüringer Schweinehalter*innen Planungssicherheit und eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugen kann. Denn der Kompromiss ist ein wichtiger Schritt nach vorne – für die Tiere und für die Schweinehalter*innen. Der Systemwechsel hin zu einer artgerechten Haltungsform ist eingeleitet. Ein großer Schritt, dem weitere folgen müssen.

Die Haltung von Sauen in Kastenständen ist seit Jahrzehnten nicht tiergerecht. Deshalb kämpfen wir Grüne seit langem dafür, dass es in Deutschland Gesetze gibt, die dazu führen, dass die Tiere vor allem in der Gruppe leben und die Zeit, die Sauen in Kastenständen verbringen müssen, massiv reduziert wird – auf Situationen, in denen dies für den Schutz der Ferkel und der Schweinehalter*innen notwendig ist.

Der Kastenstand in Deutschland hat keine Zukunft mehr.

Nur durch das Einwirken und die Nachverhandlungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Versuch der Bundesregierung gescheitert, das sogenannte Magdeburger Urteil zu umgehen und den Kastenstand in seiner jetzigen Form zu legalisieren. In der Kurzform heißt das: Schweine müssen in Zukunft (nach den Übergangszeiten) fast ausschließlich in der Gruppe gehalten werden. Die Kastenstände im Deckzentrum müssen innerhalb von 8 Jahren verschwinden. Die Betriebe werden beim Umbau ihrer Anlagen unterstützt – wer nicht umbaut, muss nach 5 Jahren die Sauenhaltung einstellen.

Trotzdem: Kein Kompromiss ohne Zugeständnisse

Einige Aspekte des Verhandlungsergebnisses schmerzen. Wir hätten uns insbesondere kürzere Übergangsfristen gewünscht. So wird zwar die Zeit, die Schweine in den Abferkelständen (Ferkelschutzkörben) noch sein dürfen, auf wenige Tage reduziert (bislang: mehrere Wochen), aber das greift erst nach langen Übergangsfristen für den Umbau. Auch fehlt leider die Strahlkraft um bessere Haltungsbedingungen in der Tierhaltung generell, nicht nur für Schweine. Wir werden uns weiter einsetzen für eine klare und verbindliche Haltungskennzeichnung und eine ökologischere und tierschutzorientiertere Verwendung der europäischen Agrarmittel. Dafür braucht es aber auch mehr grüne Stimmgewalt auf Bundesebene. Im Herbst 2021 kann an der Wahlurne genau dafür gesorgt werden.

Übergangszeiten

Kritik gab es auch an den bisher langen Übergangsfristen. Das berechtigte Argument, dass gerichtliche Entscheidungen schon lange eine Verbesserung einfordern, die bis heute nicht umgesetzt wurden, half letztlich, dass durch Anträge und Initiativen der Bundesländer erhebliche Verbesserungen gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung erreicht werden: So müssen ein Ausstrecken der Gliedmaßen ab sofort ermöglicht und bauliche Hindernisse entfernt werden.

Acht Jahre Übergang im Deckzentrum und 15 Jahre im Abferkelbereich klingen nach viel – und das ist es auch. Ein kleiner Erfolg ist es trotzdem, wie der Vergleich zur Übergangszeit bis zum Ende der Käfighaltung bei Legehennen zeigt, die bei 25 bis 27 Jahren lag. Übergangsfristen sind deswegen notwendig, weil der Umbau des Gesamtstall-Systems zu einem neuen System, das den Anforderungen des Tierwohls entspricht, mit hohen Investitionen verbunden ist. Insbesondere für bäuerliche Familienunternehmen stellt es eine große Herausforderung dar, diese Investitionen zu tätigen und die Umbauten umzusetzen. Gerade infolge der Corona-Krise und dem Stopp der Gastronomie sind auch die Schweinepreise wieder auf Tiefstniveau gesunken.

Warum der Kompromiss Mut macht

Der Erhalt der bäuerlichen Strukturen ist wichtig für regionale Strukturen, den Erhalt unserer Kulturlandschaft, die Sicherstellung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion und die Abkehr von industrieller Massentierhaltung. Auch die Vermeidung von Tiertransporten und wassergefährdenden Gülle-Importen sind für uns wichtige Anliegen. Es gibt wirklich noch zu tun. Dennoch macht dieser Kompromiss Mut.


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