Die Heiz-Debatte: Mythos und Realität

Rückblick auf die digitale Informationsveranstaltung vom 4. April 2023: „Die Heiz-Debatte: Mythos und Realität“

Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.“ Dieser Satz wurde 2021 im Koalitionsvertrag der Bundesregierung so festgehalten. Trotz der Einigung bot er in den letzten Wochen die Grundlage einiger Diskussionen.

Konkret geht es um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) – ein Thema, das von Sorgen, Ängsten und ungeklärten Fragen geprägt sei und von Stimmungsmache weiter vorangetrieben werde. In Thüringen werden derzeit 51 Prozent der Wohnungen mit Erdgas geheizt, es gehe also konkret um 600.000 Wohnungen oder Häuser, die von den geplanten Änderungen betroffen seien – so eröffnete unsere Landessprecherin Ann-Sophie Bohm die Diskussion über die Heiz-Debatte zusammen mit Heiko Knopf, stellvertretendem Bundesvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Bernhard Stengele, Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz.

Heiko Knopf, der an diesem Abend die Perspektive des Bundes mitbrachte, erklärte, dass – auch wenn der mediale Eindruck entstehe, dass es Leute gebe die auf der Bremse stehen würden – die Bundesregierung im Moment viele Vorhaben umsetze: Atomausstieg, 49-Euro-Ticket, Netzausbau, Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei sei gerade auch das GEG ein großer Faktor. Der Wärmesektor verursache bundesweit ca. 40 Prozent der CO2-Emissionen und wenn es um Klimaneutralität geht, dann geht es auch um das Energieeffizienzgesetz und das Emissionsschutzgesetz.

Bei den neuen Regelungen gehe es konkret um den Einbau neuer Heizungen – nicht um Heizungen die repariert werden müssten. Nur in Teilen, wenn eine Heizung beispielsweise eine Havarie habe, werde es Übergangsregelungen geben. So könne beispielsweise eine Gastherme noch einmal ausgetauscht werden. Bei einer neuen Heizung solle der Anteil der erneuerbaren Energien bei 65 Prozent liegen. Welche Technologie man nutze, sei offen. Das könne eine Wärmepumpe sein, eine Pellettheizung oder der Anschluss an das Fernwärmenetz. Jede dieser Möglichkeiten hätte Vor-und Nachteile, es komme aber ganz auf die Bedingungen vor Ort an.

Wie Bernhard Stengele hinzufügte, gehe es jetzt darum, alles was im Bund groß geschrieben werde, im Land auszudifferenzieren und zu schauen wie es im Einzelfall funktioniere.

Heiko Knopf erklärte, Wärmepumpen würden aktuell beim Einbau mit bis zu 40 Prozent aus Mitteln des Klima- und Transformationsfonds von Bundesebene gefördert. Dazu solle es weiterhin die im Einkommenssteuergesetz verankerte Möglichkeit geben, dass energetische Sanierungsmaßnahmen (wie der Heizungstausch oder Dämmungen) für selbst genutzte Eigentümer*innen steuerlich gefördert werden könnten. Zudem wolle man Mieter*innen vor zu hohen Kosten schützen, indem nur Wärmepumpen mit einem Wirkungsgrad von 2,5 umlagefähig seien. Sonst würden nur 50 Prozent der Investitionskosten umgelegt werden können. Es solle beim Umstieg darum gehen, gezielt untere und mittlere Einkommen zu unterstützen. Es sei auch eine soziale Investition, weil Heizöl und Erdgas perspektivisch teurer werden würden – anders als erneuerbare Energien, wenn man sie stärker ausbaue. Die Frage der Förderung hänge aber auch mit der Frage nach dem Haushalt zusammen. Der Entwurf dafür solle demnächst kommen und spätestens im Sommer werde man dann auch Klarheit über konkrete Förderungen haben, auch für Menschen, die beispielsweise keine Einkommenssteuer zahlen würden.

Wichtig sei: Es gibt keine sofortige Austauschpflicht, Reparaturen seien weiter möglich und erst einmal gebe es eine zeitliche Obergrenze. Ab 2045 wolle man vollständig klimaneutral sein, spätestens bis Ende 2044 müsse alles umgebaut sein.

Wie Bernhard Stengele ergänzte, seien 20 Jahre Zeit. Wer jetzt eine neue Heizung habe, könne diese weiter betreiben. Die Idee, dass man sofort umrüsten müsse sei nie da gewesen. Heizungen würden selten länger als 20 Jahre funktionieren, man knüpfe jetzt an das Gesetz an, nach welchem Heizungen alle 30 Jahre erneuert werden müssten. Dass man den Zeitpunkt vorgezogen habe, liege am Angriffskrieg auf die Ukraine und es gebe schlicht keinen Grund, nicht anzufangen. Man habe die Technik, man habe das Wissen. Wie Heiko Knopf ergänzte, man könne sich jetzt darauf vorbereiten. Es seien viele Falschinformationen unterwegs gewesen, kommunikativ sei zu Beginn nicht klar geworden, dass es eine Abfederung sozialer Härten geben würde, so Ann-Sophie Bohm. Der Gesetzesentwurf über den man in der Öffentlichkeit gesprochen habe, sei eben ein Referentenentwurf gewesen, der noch nicht in der Ressortabstimmung gewesen sei, was bedeute, dass noch keine sozialen Komponenten enthalten waren. So sei keine Gelegenheit geblieben, klarzumachen, dass man niemanden mit dem Thema allein lassen werde und dass alle adäquate finanzielle Unterstützung erhalten würden, durch den Bund oder auch durch das Bundesland, etwa durch einen Transformationsfonds, wie man ihn auf der letzten LDK auf Landesebene gefordert habe.

Wir alle, so Bernhard Stengele, hätten den IPCC-Bericht, der den Blick auf die Welt gelegt habe, gelesen. Dass die Modellierung zu Klimakrise und Erderwärmung in schärfster Ausprägung wahr würden, dass die Wissenschaft sage, im Grunde sei es nicht mehr möglich, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, ohne drastische Maßnahmen zu erreichen. Man müsse davon ausgehen, dass die Situation sich weiter verschärfe, dass bestimmte Ziele nicht mehr erreichbar seien, obwohl sich die Weltgemeinschaft 2015 darauf verständigt habe.

Man könne davon ausgehen, dass die Krise auch in Thüringen das neue Normal werde – die letzten zwölf Jahre seien zu warm gewesen, die letzten vier Jahre mit Dürren. Wenn man anfange über Einzelmaßnahmen zu reden, gehe der Gesamtkontext oft verloren. Nämlich dass man in einer Situation sei, in der weltweit die Lebensgrundlage in Frage gestellt sei. Stengele kritisierte, wenn man wolle, dass auf der rechten Seite der Gleichung Klimaneutralität stehe, dann müsse auf der linken Seite alles andere stehen – der Staat müsse Geld in die Hand nehmen um das zu verwirklichen.

Es sei auch klar erkennbar, dass das Klima in der Ampel-Koalition sich verschoben habe, nämlich dass die FDP massiv verhindere, das Problem mit Geld anzugehen. Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tue man sich im Bund aber schwer die vereinbarten Maßnahmen auch einzufordern, wie eben das Gebäudeneenergiegesetz, das im Koalitionsvertrag vereinbart gewesen sei. Diskussionen darüber habe man nur, weil die FDP diese aufmache. Und hier komme es jetzt auf alle an. Wir müssten die Themen gut und verständlich kommunizieren. Denn der Gegenwind für Maßnahmen gegen den Klimawandel werde schärfer, die Klimakrise werde die Menschen belasten. Und am Freiwilligkeitsprinzip festzuhalten funktioniere nicht mehr. Dann komme man 2045 nicht zu der Neutralität, die man eigentlich anstrebe. Man müsse Druck erzeugen. Und das mache man indem man die Latte für Gasheizungen höher lege, was faktisch kein Verbot sei.

Wie Ann-Sophie Bohm ausführte, sei die Diskussion um Verbot oder Freiwilligkeit auch um fünf Jahre überholt. Alle würden den Kreislauf kennen: man hätte früher Maßnahmen ergreifen müssen, es habe keine politischen Mehrheiten gegeben… und so weiter. Jetzt komme man aber an den Punkt an dem man ehrlich sein müsse und sagen müsse, ohne Verbote werde es nicht mehr gehen. Und das GEG sei auch nur ein Bestandteil der Wärmewende. Allen müsse das klar sein, es lasse sich nicht kleinreden. Aber es sei eine schaffbare Herausforderung, sonst würde man es nicht gesetzlich vorschreiben. Die Technologien seien da. Es könne für jeden Standort eine Lösung gefunden werden. Wichtig sei, jetzt ins Machen zu kommen.