Wie weiter in der Migrationspolitik in Thüringen? 21. Juni 202319. Juli 2023 Rückblick auf den Digitalen Feierabend vom 21. Juni 2023: „Wie weiter in der Migrationspolitik in Thüringen?“ Migrationspolitische Fragen beschäftigen viele Menschen in Thüringen. Während die einen eine Begrenzung der Migration wollen, kämpfen wir GRÜNE für eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik, für eine würdige Unterbringung, für schnelle Integration und das uneingeschränkte Recht auf Asyl. Doch in Thüringen gibt es viele Ressentiments gegen Geflüchtete, den Kommunen geht die Puste aus und der EU-Asylkompromiss verschiebt den Diskurs weiter nach rechts. Wie kann unter diesen Umständen Migrations- und Integrationspolitik gelingen? Welche Schritte stehen in Thüringen als nächstes an? Und was ist unser Ziel in der grünen Migrationspolitik? Darüber sprach unsere Landessprecherin Ann-Sophie Bohm am Mittwoch, den 21. Juni 2023 bei unserem digitalen Feierabend mit unserer Migrationsministerin Doreen Denstädt und der Sprecherin der LAG Internationales Christina Prothmann. Die Pläne der EU für eine neue Asylpolitik sorgten zuletzt für viel Kritik und Unzufriedenheit, so auch seitens unserer Migrationsministerin. Eigentlich sei man sich einig gewesen, einen Spurwechsel in der Migrationspolitik vorantreiben zu wollen. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sei ganz klar ein Rückschritt. Deutlich kritisierte Denstädt die Grenzverfahren, da diese zu einer Verschlimmerung unmenschlicher Zustände beitragen würden. Denn, wenn Menschen an Grenzen registriert werden müssen, dauere das. Wenn viele Menschen kommen würden, müsse man diese unterbringen. Und da man das selbst in einem vergleichsweise reichen Land wie Deutschland nicht gut schaffe, sei es unwahrscheinlich, dass es an Grenzen besser funktioniere. Es sei nicht gesichert, ob mit dem Verfahren die Menschenrechte eingehalten werden könnten, so die Migrationsministerin. Aber sowohl auf der Bundes- als auch auf Landesebene sei einiges im Fluss. Etwa plane man in Thüringen, Verwaltungsverfahren zu vereinfachen. Dafür baue man das Landesamt für Migration und Integration auf, das die Aufgaben des Landes im Bereich Migration bündele. Bisher liegen die Verantwortungen in verschiedenen Referaten. Die aufgeteilten Zuständigkeiten seien problematisch, da Behörden auch Anliegen von Geflüchteten auf unterschiedliche Art und Weise bearbeiten würden, was besonders bei Fragen des Aufenthalts prekär sei. In Zukunft sollen alle Aufgaben, die mit der Aufnahme von Asylsuchenden verbunden sind, unter einem Dach angesiedelt werden. Denstädt wolle außerdem wieder einen Runden Tisch für beteiligte Akteur*innen in der Migrationspolitik in Thüringen für eine ordentliche Arbeits- und Gesprächsbasis ins Leben rufen. Auch in anderen Bereichen arbeite man an einer besseren Kommunikation. So auch im Bereich des Aufenthalts. Aktuell sei ein Abschiebeverfahren ein langes und kompliziertes Prüfungsverfahren, zu dem es aber schnell kommen könne, wenn beispielsweise ein Dokument nicht ausgefüllt werde. Denstädt sagte, niemand solle wegen eines bürokratischen Missverständnisses abgeschoben werden. Andere Länder hätten in der Migrationspolitik viele gute Ansätze, etwa bei der Frage der Arbeitsmigration. Deutschland und Thüringen sind auf Zuwanderung angewiesen, um den Fachkräftebedarf in zahlreichen Berufen und Regionen zu decken. Man könne es sich nicht leisten, neue Menschen hier nicht willkommen zu heißen. Problematisch seien die vielen Ressentiments gegen Geflüchtete auf der einen Seite und eine schweigende Mehrheit, die demotiviert sei, sich einzubringen, auf der anderen Seite. Von dieser schweigenden Mehrheit müsse man eine Positionierung einfordern und deutlich machen, was man mit einem Erstarken der AfD und dem Rechtsruck verliere: junge, gut ausgebildete Menschen. Es gebe aber auch Positives zu berichten. So habe man sich etwa mit dem Finanzministerium auf die Flüchtlingskostenerstattungsverordnung einigen können. Dahinter stecke die Frage, wie viel Geld Kommunen erhalten, wenn sie Geflüchtete aufnehmen. Hier habe man zum Beispiel eine bessere Vorsorge erreichen können. Mit der neuen Verordnung werden Plätze, die in Unterkünften für Geflüchtete vorgehalten werden, auch finanziert. Trotz dessen brauche man immer noch mehr Kapazitäten, um auf kurzfristige Ankunftsgeschehen reagieren zu können. Dazu sei man etwa dabei, eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung zu finden. Schwierig sei oft die Frage der Finanzierung. Der aktuelle Haushalt lasse keine Spielräume zu. Eine staatliche Struktur, etwa im Bereich der Integration zu schaffen, sei da schwierig. Wie Christina Prothmann argumentierte, müssen in diesem Bereich sehr viele Dinge gleichzeitig passieren. Das scheitere oft an Punkten auf die das Migrationsministerium keinen Einfluss habe, etwa die dünne Besetzung mit Sozialarbeiter*innen in Institutionen. Denstädt versicherte, man werde versuchen, eine überjährige Förderung zu erreichen, um Arbeitskräfte hier zu halten. Denn es sei schwierig, Menschen zu finden, die einen befristeten Arbeitsvertrag annehmen würden, wenn sie in anderen Bundesländern unbefristet arbeiten könnten. Die Strukturen, die man habe, müsse man so unterstützen, dass die Leute sicher und gut arbeiten könnten. Man arbeite derzeit an vielen Dingen, die noch keine Sichtbarkeit hätten. Aber man müsse anfangen, die Dinge, die gut laufen würden, herauszustellen. So ist Doreen Denstädt zum Abschluss zuversichtlich: „Es ist noch nicht 2024, wir haben noch Zeit, und Einiges schaffen wir noch.”