Im Gespräch mit Dirk Adams zur Gebietsreform

Mitte Oktober hat der Thüringer Innenminister Holger Poppenhäger den Vorschlag für die Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte im Zuge der geplanten Gebiets- und Funktionalreform öffentlich gemacht. Wir haben unserem Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag Dirk Adams einige Fragen zur Gebietsreform gestellt.

Warum ist die Gebietsreform nötig? 

In 20 Jahren werden wir weniger Thüringerinnen und Thüringer sein und trotzdem eine gute Verwaltung in den Gemeinden, Landkreisen und im Freistaat benötigen. In manchen Regionen werden deutlich weniger Erwerbstätige nicht nur für sich selbst, sondern auch für eine steigende Anzahl älterer Menschen aufkommen müssen. Um diese Fachkräfte wird es einen enormen Wettbewerb geben: innerhalb der Wirtschaft, zwischen Wirtschaft und öffentlichem Dienst sowie im öffentlichen Dienst selbst. Schulen, Polizei und die allgemeine Verwaltung werden um die besten Köpfe kämpfen, immer mit dem Ziel, ihre Gemeinden und Städte als attraktive Orte zu erhalten. Deshalb müssen wir auf der Gemeinde- und Kreisebene größer werden.

Welche Vorteile bringt die Gebietsreform? 

Die Reform bringt vor allem Effizienz- und Effektivitätsgewinne sowie langfristige Einsparungseffekte. So erhöht sich zum Beispiel durch den Zusammenschluss von Kreisen die Beschäftigtenzahl in den jeweiligen Ämtern, wodurch sich die einzelnen Angestellten wesentlich besser spezialisieren können. Mit der Zeit wird dadurch unter anderem eine schnellere Bearbeitung von Vorhaben und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger erreicht.

Die Kreisstruktur in Thüringen ist traditionell kleinteilig – wann ist ein Kreis zu klein? 

Wie das Gutachten von Prof. Bogumil zeigt, ergibt sich nach Auswertung maßgeblicher nationaler und internationaler Studien und Erfahrungswerte für Kreise eine Mindestgröße von 150.000 Einwohnern, als Zielgröße werden oft 200.000 Einwohner für die Gewährleistung einer optimalen Versorgung genannt. Dennoch hängt die Kreisgröße nicht nur von der Einwohnerzahl ab, sondern zum Beispiel auch von der Einwohnerdichte und regionalen Beziehungen. Die Vorgaben im Vorschaltgesetz, welches die Abläufe im Rahmen der Gebietsreform regelt, sind im Bundesvergleich die Kleinsten und somit laut dem Gutachter für die Kreisgebietsreform Prof. Bogumil „sehr moderat […] und berücksichtigen die besonders kleinteilige Gemeindestruktur in Thüringen […] ausreichend“.

Es entstehen nun vergleichsweise große Kreise. Wann wird ein Kreis zu groß? 

Um übergroße Kreise zu verhindern, haben wir mit dem Vorschaltgesetz eine Maximalgröße von 3 000 km² festgeschrieben. Diese Begrenzung haben wir vor dem Hintergrund gewählt, dass in anderen Bundesländern keine guten Erfahrungen mit Kreisen von über 4 000 km² gemacht wurden. Die optimale Größe eines Kreises lässt sich nur schwer bestimmen, da sie von vielen Faktoren abhängig ist. Neben Einwohnerzahlen und Kreisfläche laut Gutachten des Innenministeriums zum Beispiel auch Topographie, Siedlungsstruktur, verkehrliche Erschließung, wirtschaftliche und soziale Verflechtungen sowie kulturelle Aspekte. Auch hier waren für den Vorschlag Einzelentscheidungen und Abwägungen nötig.

Werden ländliche Gebiete durch größere Entfernungen zur Kreisstadt nicht noch weiter abgehängt? 

Dies gilt nicht nur für ländliche Gebiete, sondern auch für Kleinstädte. Für einige kann sich die Entfernung durchaus erhöhen, für andere aber kann die Kreisstadt auch besser erreichbar sein. Abgesehen davon haben wir mit dem Vorschaltgesetz Vorkehrungen getroffen, damit die meisten Entscheidungen zur Entwicklung der jeweiligen Gemeinde weiterhin vor Ort getroffen werden können. Dies betrifft zum Beispiel: die Verwendung der der Ortschaft für kulturelle, sportliche und soziale Zwecke zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel; die Unterstützung der Vereine, Verbände und sonstigen Vereinigungen in der Ortschaft, insbesondere der Ortsfeuerwehr; die Festlegung der Reihenfolge der Arbeiten zum Um- und Ausbau sowie die Instandhaltung von Straßen, Wegen und Plätzen. Viele Entscheidungen werden also weiterhin vor Ort getroffen. Allerdings haben die Kommunen dann wesentlich mehr (finanzielle) Spielräume, da ein stärkerer Kreis hinter ihnen steht.

Welche Auswirkungen wird die Reform auf den Alltag der Bürgerinnen und Bürger haben? 

Diese Reform wird Auswirkungen auf den Alltag haben. Um diese zu minimieren, haben wir die Einrichtung von Bürgerservicebüros vorgesehen. Dort kann dann zum Beispiel das Auto an- oder umgemeldet werden. Viel mehr setzen wir aber darauf, dass sich die Digitalisierung in der Verwaltung fortsetzt, damit zum Beispiel einfache Bauanträge in Zukunft über das Internet eingereicht werden können.

Wie wird mit Kritik umgegangen? 

Die jetzt veröffentlichte Karte der neuen Kreise ist ein Vorschlag. Berechtigte Kritik und dem Gemeinwohl dienende Verbesserungsvorschläge werden die Landesregierung und das Parlament gut prüfen und gegebenenfalls Veränderungen vornehmen. Dabei gilt, dass alle Änderungen und Vorschläge mit der gesetzlichen Lage, vor allem mit dem Vorschaltgesetz, kompatibel sein müssen.

Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Schritte? 

Die Freiwilligkeitsphase für Gemeindezusammenschlüsse wird bis zum Oktober 2017 weiterlaufen. Für die Kreise wird das Innenministerium zum Beginn des 2. Quartals 2017 einen Gesetzentwurf vorstellen, in dem die neuen Kreisgebiete geregelt, neue Kreisstädte benannt und Kreisnamen vorgeschlagen werden.