Von Hühnern, Schweinen und streunenden Katzen: Ann-Sophies Sommertour 2022

Vom 17. bis zum 26 August war unsere Landesvorsitzende Ann-Sophie Bohm auf Sommertour durch Thüringen. Im Mittelpunkt standen dabei die Themen Tierschutz und regionale Biolandwirtschaft.

Bio ist gesund – für Menschen, für Tiere und Natur. Die Landwirtschaft der Zukunft muss umweltverträglich, bodenschonend und artenschützend sein – all das leistet Bio. Kein Wunder, dass die Nachfrage steigt, und zwar schneller als das Angebot. Der Besuch von regionalen Biobetrieben in Thüringen war daher ein wichtiger Punkt auf der Sommertour

Ein gutes Beispiel für sehr fachlichen und durchdachten Gemüseanbau fand unsere Landesvorsitzende auf dem Lindenberghof Weimar, dem einzigen Biohof auf Weimarer Boden. Bauer Johann Gramm produziert hier auf 3,5 Hektar mehr als 45 verschiedene Gemüsesorten. Besonderen Stellenwert hat dabei die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Mit verschiedenen, auf die jeweilige Ackerfrucht angepassten Maßnahmen wird bodenschonend gearbeitet und Wert auf den Aufbau der Bodenkulturen legt. Anschließend wird das Gemüse regional vermarktet. Es braucht mehr Betriebe wie diesen. Um das zu erreichen, müssen wir auch die landwirtschaftliche Beratung ausbauen, damit alle Landwirt*innen fachlich aktuelle Tipps erhalten können, wie sie ihre Produktion nachhaltiger, bodenschonender und dadurch eventuell sogar ertragreicher gestalten können. Klar geworden ist im Gespräch auch: Fördervorschriften dürfen nicht nur auf Stichtage schauen, sondern auch die fachliche Praxis berücksichtigen.

Auch der Biohof Scharf in Ollendorf im Kreis Sömmerda betreibt schon in dritter Generation eine vorbildliche Biolandwirtschaft. Beim Anblick von Hühnern, Hunden und viel Gemüse schlug das Herz unserer Landesvorsitzenden höher. Dazu ein Hof, bei dem die ganze Familie mit viel Engagement und Herzblut mitarbeitet. Gemüseanbau mit viel Mischkultur, Pferdepension, Getreideanbau, Hühner im mobilen Stall, Lieferung von Biokisten und Schnittblumenfeld – der Familienbetrieb hat sich breit aufgestellt. Auch Schulklassen kommen gerne hierher, um den Hof und seine Produkte kennen zu lernen – wenn da nicht die extrem schlechte Busverbindung wäre. Für den Biohof Scharf wird die fehlende Nahverkehrsanbindung zunehmend zum Geschäftsproblem, denn auch Mitarbeiter*innen finden sie so schlechter. Ein Grund mehr, dass möglichst schnell landesweit die Mobilitätsgarantie kommen muss. Im Gespräch ist auch klar geworden, dass die Förderung landwirtschaftlicher Betriebe besser werden muss – weniger Bürokratie, nicht so sehr auf Masse sondern auch auf Ökologie und Vielfalt orientiert. Und einmal mehr hat sich gezeigt, dass es dringend mehr Verarbeitungsstrukturen für Biolebensmittel braucht und regionale Abnehmer in Verwaltung, Gastronomie und soziale Einrichtungen. Nur so bleibt die Wertschöpfung in der Region.

Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Kinski aus dem Weimarer Land, das hochwertige Biobrühen und -soßen herstellt, innovativ vermarktet und europaweit verschickt, dazu noch klimaneutral mit regionalem Bewusstsein arbeitend. Aus Magdala beziehungsweise Blankenhain gehen jedes Jahr etwa 70.000 Flaschen in die Welt. Es ist beeindruckend, mit wie hohem Engagement und Innovationspotential die kleine Firma rund um Jörg Kinski arbeitet. Abwärme vom Kochen wird zur Energierückgewinnung genutzt, die Flaschen nachhaltig in der Region produziert und auch Engagement gegen invasive Arten geleistet. Zunehmend baut Kinsiki auch regionale Lieferketten auf und schließt direkte Anbauverträge mit regionalen Biobauern. Bioverarbeitende Unternehmen sind leider eine Seltenheit in Thüringen. Unsere regionale und landesweite Wirtschaftsförderung muss darauf ausgerichtet sein, erfolgreiche und innovative Unternehmen wie dieses in der Region zu halten!

Einen anderen Weg geht das Landgut Weimar. Das konventionelle Landwirtschaftsunternehmen betreibt in Schoppendorf im Weimarer Land eine Bio-Milchkuhhaltung sowie einen mobilen Hühnerstall. Die Kühe standen schon vor der Umstellung auf Stroh und können nun noch eine große Weide genießen. Doch leider wird das Futter knapp, denn die historische Dürre hat zu massiven Ernteausfällen geführt. In der ganzen Region gibt es kaum Biofutter zu kaufen. Hier müssen dringend Lösungen gefunden werden, denn die Klimakrise wird die Anzahl der Dürren noch steigern. Die Milch will das Landgut vor allem regional vermarkten, in Schoppendorf selbst und im Bioladen der EVG am Kirschberg in Weimar kann man sich die Milch selbst abfüllen. Doch eine regionale (Bio-) Molkerei gibt es nicht. Lebensmittel verarbeitende Betriebe sind in Thüringen Mangelware, aber für regionale Wertschöpfung und faire Preisgestaltung immens wichtig. Daher wollen das Landgut, Gäa und die Brotklappe gemeinsam eine Biomolkerei gründen. Was für ein großartiges Vorhaben, das hoffentlich gelingt!

Auch ein Besuch der Bäckerei „Brotklappe“ stand auf dem Plan. Besonders beeindruckend ist, mit welchem Engagement der Gründer Sebastian Lück die Bäckerei betreibt. Besonders die Bodenfruchtbarkeit liegt ihm am Herzen – das ist im Gespräch über fehlende Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte, die Preissteigerungen und unternehmerische Verantwortung klar geworden. Die Brotklappe setzt auf regionale Zutaten, möglichst Bio, engagiert sich für den Erhalt fruchtbarer Böden und backt jeden Monat 300 (!) Brote für die Weimarer Tafel. Es gibt sogar extra Preise für Menschen mit geringem Einkommen, einfach vor Ort nachfragen. Und: natürlich schmecken die Backwaren wunderbar! Unbedingt ausprobieren!

Besonders wichtig wird Biohaltung wenn es um Tiere geht. Denn die Bedürfnisse der Tiere müssen die Haltungsbedingungen bestimmen, nicht anders herum. Viel zu häufig leiden in der Landwirtschaft gehaltene Tiere sehr, durch nicht artgemäßem Futter, Platz- und Bewegungsmangel und damit einhergehenden Krankheiten und Verletzungen. Sich ein Nest im Stroh bauen, im Boden wühlen, sich im Schlamm suhlen – all das können landwirtschaftlich gehaltene Schweine in der Regel nicht, obwohl es zu ihren Grundbedürfnisse gehört. Es war unserer Landesvorsitzenden daher eine Freude zu sehen, wie gut es den Schweinen auf dem Gut Sambach im Unstrut-Hainich-Kreis geht, die all das können. Auch die Kuhhaltung ist beeindruckend – denn hier können die Kälbchen nicht nur drei Monate lang bei ihren Müttern bleiben und ihre Milch trinken, sondern sich auch frei auf dem Hof bewegen. Bemerkenswert ist auch, wie viel Wertschöpfung bereits auf dem Hof stattfindet – Bäckerei, Fleischerei, Käserei – so kann regionale Wertschöpfung aussehen!

Doch Tierschutz beschränkt sich nicht auf die Landwirtschaft. Im Tierheim Schleiz ging es im Gespräch mit zwei Mitarbeiterinnen aus dem sehr engagierten Team um die anstehenden Herausforderungen im Heimtierschutz und von Tierschutzvereinen. Im Schleizer Tierheim stehen zahlreiche Um- und Neubauten ohne gesicherte Finanzierung an, gleichzeitig drücken die steigenden Energiepreise sehr. Das Tierheim trägt sich als Verein selbst und ist weit und breit das einzige in der Region. Leider sind viele Kommunen noch immer nicht bereit, Tierheime und Tierschutz ordentlich auszufinanzieren. In den letzten Jahren haben wir in der Landesregierung immer wieder Gelder für Tierheime eingestellt, doch in der aktuellen Situation brauchen gerade Vereine und Verbände, die ohnehin meist prekär finanziert sind, dringend Entlastung und Unterstützung! Auch braucht es weitere Maßnahmen, um die große Anzahl herrenloser Kitten einzudämmen. Das Land hat bereits die Grundlagen geschaffen, dass Kommunen eine Kastrationspflicht anordnen können, doch nicht alle machen davon Gebrauch. Daher braucht es nun den nächsten Schritt zu einer landesweiten Kastrationspflicht für Freigängerkatzen.

Um ganz andere Themen ging es beim Besuch der Vogelschutzwarte in Seebach. Schon gewusst, dass hier die älteste Vogelschutzwarte Deutschlands, womöglich sogar Europas steht? Die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen des Landes leisten hier zusammen mit den sehr engagierten Ehrenamtlichen des Vereins wichtige Arbeit für den Vogelschutz im Land. Einerseits ist es ein gutes Signal, dass sich Arten wie der Seeadler wieder in Thüringen niederlassen. Andererseits stehen immer noch zu viele Vogelarten auf der roten Liste, durch Raubbau an Lebensräumen und Rückgang an Insekten. Außerdem ist klar geworden: Es braucht mehr Personal für Kontrollen im Naturschutzbereich – damit die teilweise schon sehr guten Regeln auch eingehalten werden.

Tiere schützen heißt auch ihre Lebensräume zu bewahren. Daher besuchte Ann-Sophie auch das Artenschutzzentrum sowie den Lehrgarten des BUND in Ranis. Im Gespräch mit dem Leiter des Artenschutzzentrums ist wieder einmal klar geworden, dass es in allen Bereichen endlich einen größeren Schwerpunkt auf Artenschutz braucht, um den drohenden Kollaps der Biodiversität zu verhindern. Zu viele Arten verlieren durch Versiegelung, ausgeräumte Agrarlandschaften, Gifte und Abholzung ihre Existenzgrundlage, zu viele Arten sind schon ausgestorben oder stehen kurz davor. Und das betrifft auch uns Menschen: kommen die Ökosysteme aus dem Gleichgewicht und kollabieren, kann auch unser Leben nicht mehr so weitergehen. Investitionen in Artenschutz sind Investitionen in unsere Zukunft! Daher braucht es dringend mehr Bäume und Sträucher an Flüssen, Seen und Teichen sowie mehrreihige Hecken an Feldrändern. Gut, dass es Einrichtungen wie das Artenschutzzentrum gibt, die hier informieren und schulen. Nun fehlt nur noch die politische Umsetzung.