Lückenschluss Werrabahn

Südthüringen und Oberfranken müssen auf der Schiene endlich zusammenwachsen!

Vor etwas mehr als einem Jahr beschlossen Bundestag und Bundesrat eine massive Aufstockung der Investitionsmittel für Nahverkehrsprojekte. Spät, aber nicht zu spät hat selbst die schwarz-rote Bundesregierung erkannt, dass mehr Klimaschutz im Verkehr nur mit der Stärkung von Bus und Bahn funktioniert. Seitdem steht jährlich eine Milliarde Euro für den Ausbau der Nahverkehrsinfrastruktur zur Verfügung (bisher 333 Mio. Euro), bevor 2025 eine Verdoppelung auf dann zwei Milliarden erfolgt. Erstmals fördert der Bund über das Programm nach dem so genannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auch Streckenreaktivierungen und die Elektrifizierung von Regionalstrecken mit einem Förderhöchstsatz von bis zu 90 Prozent. Beste Aussichten also für den längst überfälligen Ausbau des Eisenbahnnetzes abseits der Magistralen.

In einer glücklichen Lage sind jetzt die Länder, die frühzeitig Streckenreaktivierungen untersucht und vorbereitet haben, denn sie können die Planung jetzt zügig auf den Weg bringen. Damit gibt es auch eine verlässliche Finanzierungsperspektive für den seit Öffnung der Grenze 1989 ausstehenden Lückenschluss auf der Werrabahn zwischen Eisfeld und Coburg. Doch statt den Lückenschluss nun endlich nach mehr als 30 Jahren des Lamentierens energisch voranzutreiben, wurden durch den Landrat des Landkreises Hildburghausen kürzlich neue Hürden errichtet. Im Herbst 2019 verlegte der Landkreis als Vorhabenträger eine Kreisstraße auf die unverändert als Eisenbahnanlage gewidmete Werrabahntrasse. Die Überbauung der Werrabahntrasse steht in krassem Widerspruch zu den Festlegungen im Regionalplan Südwestthüringen und dem Landesentwicklungsprogramm des Landes. Denn in beiden Planwerken ist der Werrabahnlückenschluss genauso verankert wie die Freihaltung der Trasse. Der Bau der Straße blockiert beziehungsweise erschwert den Werrabahnlückenschluss. Da das Landratsamt des Landkreises Hildburghausen auf ein Planfeststellungsverfahren verzichtete, konnten sich aber weder das Eisenbahn-Bundesamt, als Hüterin der eisenbahnrechtlichen Widmung, noch die Träger der Regional- und Landesplanung ihre öffentlichen Belange in eine Abwägung einbringen. Auch die Naturschutz- und Umweltverbände waren deshalb außen. Es war ihnen verwehrt, ihre Hinweise und Einwendungen nicht vorzutragen.

Dies war letztendlich auch der Grund, warum das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz einen Bescheid des Landratsamtes, den dieses als vermeintliche Genehmigung anführte, am 7. Mai für rechstwidrig erklärte und aufhob. Damit ist die Verlegung der Kreisstraße auf die Werrabahntrasse ein Schwarzbau. Für den Kreisstraßenbau hätte zwingend ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen, und zwar nicht nur wegen der Belange des Natur- und Umweltschutzes. Das Landratsamt Hildburghausen wurde vom Landesamt jetzt dazu verdonnert, nachträglich ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Ob die schwerwiegenden Mängel in einem solchen Verfahren geheilt werden können, ist allerdings mehr als zweifelhaft. Den die Widmung als Eisenbahntrasse lässt keine Nutzung als Kreisstraße zu. Hätte der Landkreis von Beginn an mit offenen Karten gespielt und die Pläne öffentlich ausgelegt, wäre die Werrabahntrasse nicht überbaut worden. Denn diese krassen Planungsfehler hätten sowohl das Eisenbahn-Bundesamt als auch andere Träger öffentlicher Belange in Stellungnahmen nicht gutgeheißen. Der ganze Vorgang klingt zudem nach einem Schildbürgerstreich: Der Landkreis verfolgt und unterstützt den Lückenschluss der Werrabahn und baut dann auf die mögliche Bahntrasse eine Kreisstraße. Absurder geht es kaum!

Wichtig ist jetzt, dass die Landesregierung beim Werrabahnlückenschluss zu ihrem Wort im R2G-Koalitionsvertrag steht und sich an die Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms hält. Die Werrabahntrasse darf auch im Nachhinein nicht entwidmet werden, damit der Schwarzbau eines Landrats quasi noch belohnt wird!

Zusammen mit dem Freistaat Bayern muss Thüringen jetzt endlich ein gemeinsames Raumordnungsverfahren einleiten, in dem eine geeignete Variante für den Werrabahnlückenschluss ermittelt wird. In diesem Verfahren sind die Vor- und Nachteile aller denkbaren Varianten zu ermitteln. Erst danach kann eine Vorzugsvariante ausgewählt werden. Vorher dürfen wir uns keine Variante verbauen – schon gar nicht durch den Schwarzbau einer Kreisstraße. Die Verkehrswende erfordert in den kommenden Jahren mutige Investitionsentscheidungen für den Ausbau des Schienenverkehrs. Der Werrabahnlückenschluss darf nicht länger aufgeschoben werden – die Zeit drängt!