Perspektiven für junge Menschen in der Pandemie

Beschluss des Landesvorstandes vom 9. März 2021

Die Corona-Pandemie hält uns alle inzwischen schon ein Jahr in ihrem Bann. Viele Gruppen von besonders Betroffenen haben in dieser Zeit einige öffentliche Aufmerksamkeit für die spezifischen Probleme erhalten, die teilweise auch politisch angegangen werden. Viel zu wenig Beachtung wird allerdings jungen Menschen geschenkt, die sich gerade an einem wichtigen Punkt der persönlichen Entwicklung befinden und Freiräume brauchen, um sich zu entfalten, die sich gerade in der Ausbildung befinden, sei es schulisch, universitär oder beruflich, oder die gerade während der Pandemie den Einstieg in das Berufsleben schaffen müssen. Bisher wurden junge Menschen in der öffentlichen Debatte vor allem als unverantwortliche Feierwütige dargestellt, was die Realität nicht abbildet. Dabei ist in dieser Altersgruppe die Belastung durch die Pandemie besonders hoch, obwohl die Gefahr für junge Menschen vergleichsweise niedriger ist. Das äußert sich in einer Vielzahl von Problemen, die mehr öffentlicher Anerkennung bedürfen und politisch angegangen werden müssen.

Die große Mehrheit der jungen Menschen schränkt ihre Kontakte den Vorgaben entsprechend sehr stark ein. Dabei ist in dieser Lebensphase gerade auch der Kontakt zu Gleichaltrigen wichtig und der Drang besonders groß, sich zum Beispiel mit dem Studien- oder Ausbildungsstart in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, neue soziale Kontakte zu knüpfen, Partner*innen zu finden und sich persönlich zu entfalten. Zwischen häuslichem Lernen in der Schule, digitalen Lehrveranstaltungen an der Uni und den starken Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich wird vieles davon erschwert. Das führt bei vielen zu Vereinsamung und psychischen Problemen, wie Depressionen, nehmen besonders bei jungen Menschen zu (1). Um junge Menschen bei der Bewältigung dieser Problemlagen besser zu unterstützen, fordern wir ein entschiedenes politisches Handeln ein.

Dazu muss die präventive psychosoziale Beratung auch an Lernorten deutlich ausgebaut werden. Dort, wo das psychotherapeutische Angebot nicht ausreichend ist, die Wartezeit auf einen Termin für ein Erstgespräch in einer psychotherapeutischen Praxis mehrere Monate beträgt, bleibt den jungen Menschen die dringend notwendige Hilfe versagt. Schon vor der Pandemie war das Angebot in vielen Landkreisen und Städten nicht ausreichend, in der gegenwärtigen Situation wird das Problem noch offensichtlicher und muss dringend angegangen werden. Dazu zählt auch der Ausbau der personellen Ressourcen in den sozialpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter. Zum anderen braucht es langfristig wirkende stufenbasierte Konzepte, die Verlässlichkeit und Transparenz für die zu ergreifenden Maßnahmen schaffen und die gleichzeitig die Basis für Schutzkonzepte bieten können und der Vereinsamung der Menschen besonders in Phasen hoher Inzidenzen vorbeugen können. Der von der grünen Landtagsfraktion erarbeitete Stufenplan „Perspektiven nach dem Lockdown – Wie geht es weiter? Ein Stufenplan für Thüringen“ bietet für die unterschiedlichen Bereiche eine solche Basis (2).

Eine Idee dafür könnte sein, feste Gruppen an Schulen und Universitäten einzurichten, die zusammen in Präsenz Unterricht haben und sich in Lerngruppen aber auch in ihrer Freizeit untereinander treffen können. Um gruppenübergreifende Infektionen zu verhindern, wären die strikte Einhaltung von AHA-Regeln außerhalb der eigenen Gruppe, auch im privaten Bereich außerhalb des eigenen Haushalts, der Einsatz von Luftfiltern und regelmäßigen Schnelltests und eine priorisierte Impfung für das Lehrpersonal notwendig. Außerdem sollte die gemeinsame Sportausübung unter Einhaltung von Hygienekonzepten und der Nutzung von Schnelltests möglich sein, da dies in allen Altersgruppen für alle Menschen wichtig ist. Eine umfassende Teststrategie ist zusätzlich zur Einhaltung der AHA-Regeln ein wichtiger Bestandteil, um Präsenzunterricht in Schulen und Universitäten, Treffen im Privaten sowie Sportausübung zu ermöglichen.

Weitere große Probleme bereitet die Pandemie besonders jungen Menschen, die sich durch Nebenjobs ihre Ausbildung selbst finanzieren müssen oder ihre universitäre oder berufliche Ausbildung gerade abgeschlossen haben und nun vor dem Einstieg ins Berufsleben stehen. Der pandemiebedingte Wegfall vieler studentischer Nebenjobs, besonders in der Gastronomie stellt viele Betroffene vor große finanzielle Herausforderungen und der Einstellungsstopp für Ausbildungsplätze, Festanstellungen und Praktika, den viele Unternehmen verhängt haben, bringt vielen eine große berufliche Unsicherheit und verschlechtert langfristig ihre Chancen am Arbeitsmarkt.

Deshalb muss es, gerade auch aus den Erfahrungen der Pandemie heraus, ein krisensicheres BaFöG nach dem zwei-Säulen-Modell aus einem elternunabhängigen Zuschuss und einem bedarfsabhängigen Zuschuss geben, so wie es die Grünen auf Bundesebene seit langem einfordern. Darüber hinaus sollten die Langzeitstudiengebühren dauerhaft ausgesetzt bleiben. Eine Verlängerung der Regelstudienzeit für die Corona-Semester muss möglich sein, damit Studierenden nicht plötzlich ihre finanzielle Grundlage wegbricht und sie die Zeit haben, um Lernrückstände aufzuholen und studienbegleitende Praktika nachzuholen, die während der Pandemie nicht möglich waren. Dafür setzen wir Grünen uns bereits auf Landes- und Bundesebene ein. Darüber hinaus sollen Studierende und Absolvent*innen die staatlich geförderte Möglichkeit erhalten als Bildungslots*innen für benachteiligte Schüler*innen zu arbeiten, um neben dem Zuverdienst gleichzeitig die sich verstärkende Bildungsungerechtigkeit einzudämmen (3).

Für junge Menschen in der Phase der Berufsorientierung ist es wichtig, dass auch Möglichkeiten der qualifizierten Orientierung auf digitalem Wege und individuell weiter stattfinden. Außerdem fordern wir ein Pilotprojekt für Corona-Stipendien, bei dem jungen Menschen mit gerade erworbenem Berufsabschluss für eine begrenzte Übergangszeit in Projekten zur Bewältigung der Pandemiefolgen mitwirken und dabei ein monatliches Einkommen vom Staat erhalten. Solche Projekte könnten beispielsweise Dienste in sozialen Einrichtungen oder die Unterstützung der Digitalisierung von Verwaltungen und Unternehmen sein. Projekte können dabei sowohl von jungen Menschen selbst als auch von Unternehmen und gemeinnützigen Einrichtungen initiiert werden (4). Dadurch soll jungen Menschen eine zusätzliche Perspektive in der Phase des erschwerten Berufseinstiegs gegeben werden.

Um die Probleme und Sorgen junger Menschen sichtbar zu machen, ist es wichtig, dass sie im politischen Diskurs endlich die notwendige Berücksichtigung finden. Deshalb ist es wichtig, dass sich Politiker*innen auf allen Ebenen vermehrt direkt mit jungen Menschen austauschen, beispielsweise durch Besuche im digitalen Unterricht, und deshalb sollen Vertreter*innen junger Menschen, wie beispielsweise Schüler*innen-, Auszubildenden- und Studierendenvertreter*innen in die Corona-Beratungsgremien des Landes aufgenommen werden. Darüber hinaus sollen im geplanten Thüringer Bürger*innenbeirat ein Mindestanteil von jungen Menschen unter 30 Jahren berufen werden, der auch ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. 


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